Kommentar

Biberach: Der Grünen-Hass ist unverhältnismäßig

/ / Bild: M94.5 / Melina Bouliopoulou

Am 15.02. wollten die Grünen eine Veranstaltung in Biberach, Baden-Württemberg, abhalten, doch wütende Menschen blockierten mit ihren Traktoren die Zufahrt zur Stadthalle, in der die Partei ihren ”Politischen Aschermittwoch” durchführen wollte. Ein Mann soll eine Kettensäge geschwungen haben und einem Begleitfahrzeug eines Politikers wurde die Scheibe eingeschmissen. Die Parteiveranstaltung schließlich abgesagt. Luis Kirchner findet, die Aggression gegenüber den Grünen sei unverhältnismäßiger denn je. Ein Kommentar. 

Die Grünen wurden in Biberach daran gehindert, ihrer Parteiarbeit nachgehen zu können. Man muss sagen: wieder einmal. Noch Anfang Januar hatte ein wütender Mob Robert Habeck und seine Familie in Schleswig-Holstein daran gehindert, von Bord einer Fähre zu gehen – und erst gestern Abend wurde er mit “Buh”- und “Hau ab”-Rufen in Nürnberg empfangen. Unzufriedene mit ”der Politik” schießen sich nun schon seit längerer Zeit auf die Grünen ein. Aber selbst jene, die nicht zu Kettensägen greifen, haben mit ihrem Herumreiten auf den Grünen das Ziel bei weitem verfehlt: Das Problem, dass sich Landwirtschaft immer weniger lohnt, hätte damals die Große Koalition unter Merkel schon längst angehen können. Die politische Aschermittwochsveranstaltung in Biberach wurde gesprengt, während die von Union und SPD aber weitgehend unbehelligt stattfinden konnten. 

Die Demonstrant:innen von Biberach stehen nicht für alle Landwirt:innen

Protest als demokratisches Mittel ist natürlich legitim und die Sorgen von deutschen Landwirt:innen sind ernst zu nehmen. Genauso stehen die Demonstrant:innen von Biberach nicht stellvertretend für alle Bäuerinnen und Bauern. Gerade kleinere Betriebe distanzieren sich bis heute von den martialisch vorgetragenen Protesten. Umso perfider, dass berechtigte Anliegen so schamlos für Hass und Hetze missbraucht werden.  

Wer jede Verantwortung von sich weist, ist unser Ministerpräsident Markus Söder, der die grünenfeindliche Stimmung aber maßgeblich befeuert. So vergleicht er die Grünen-Politikerin Steffi Lemke mit der SED-Funktionärin Margot Honecker. Da kann Bayerns Gesundheitsminister Holetschek noch so oft er will erklären, der Grund für die Proteste in Biberach liege bei der Ampel in Berlin – glaubwürdig ist das nicht. Die CSU verurteilt den “Krawall” zwar, sieht aber Söder mit seinen Grünen-Sticheleien nicht in der Verantwortung. Das ist schlicht verlogen. 

“Eine Grenze ist überschritten”

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat es dagegen ganz richtig ausgedrückt: Mit den Protesten in Biberach ist eine Grenze überschritten worden. Insbesondere dann, wenn die Polizei das Stattfinden einer Parteiveranstaltung nicht mehr garantieren kann, zeugt das von einem Ausmaß, das über normale Demonstrationen hinausgeht. Immerhin fordert die Gewerkschaft der Polizei nun, den Einsatz von Traktoren künftig bei Demonstrationen zu verbieten. Das kommt zögerlich, aber immerhin endlich. 

Die Handlungen der Protestierenden in Biberach zeigen: Es ging nicht darum, eine konstruktive Lösung zu finden. Sonst hätten sie es so gehandhabt wie die Landwirt:innen auf dem nahegelegenen Gigelberg: Gespräch statt Geschrei. Kurz vorher traten Protestierende dort mit Cem Özdemir von den Grünen in den Dialog. Ausgerechnet war es eines seiner Begleitfahrzeuge, dem bei Ankunft an der Stadthalle wenig später die Scheibe eingeworfen wurde.  

Was zeigt uns Biberach? Dass die “Grenze” nicht nochmal überschritten werden darf – egal, welche Forderungen dahinterstehen. Die Verantwortlichen müssen strafrechtlich verfolgt werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, man könne mit Kettensägen in einer Demokratie etwas erreichen.  

Die Proteste in Biberach – ein Kommentar