Kommentar
Die Streaming-Enttäuschung
Disney +, Amazon Prime Video und Netflix: die Streaming-Giganten dominieren weltweit die Bildschirme. Doch ist Streaming nach wie vor die beste Option für Zuschauer:innen? Ein Kommentar von Megan Kreileder-Willis.
Die Anfänge des Streamings, so wie wir es heute kennen, findet man im Januar 2007. Die Firma Netflix, die bis dahin nur DVDs per Post versandt hatte, startete ihr Streaming-Angebot “Watch Now”: für knapp 6 Dollar konnten Nutzer:innen nicht mehr nur DVDs ausleihen, sondern pro Monat sechs Stunden Content aus einer Mediathek mit rund 1000 Titeln streamen.
Seitdem hat sich unsere Art, Filme und Serien zu schauen, grundlegend verändert. Neben Netflix haben sich auch Disney + und Amazon Prime als gehaltvolle Player im Streaming-Business etabliert. Sie alle werben mit einer größeren Auswahl und höherer Qualität für die Kund:innen. Leider sieht die Realität anders aus. Dem Versprechen von werbefreien, vielfältigen Filmen und Serien werden die wenigsten Streaminganbieter wirklich gerecht.
Werbefrei? Nicht ganz…
Eines der größten Argumente der Pro-Streaming-Fraktion war immer der proklamierte Verzicht auf Werbung. Wer in Zeiten des klassischen Fernsehens zwischen den Werbeblöcken auf ProSieben kaum Spielfilm erkennen konnte, mag das als die Erlösung schlechthin gesehen haben. Doch auch diese selbstdeklarierte werbefreie Zone existiert auf den meisten Streamingdiensten nicht mehr. Netflix, Disney + und Amazon Prime Video locken ihre Kund:innen mittlerweile mit günstigeren Abos, die Werbung enthalten. Natürlich gibt es noch werbefreie Abos – diese kosten aber erheblich mehr. Wer mehr als einen Streaming-Dienst abonniert (denn natürlich hat nicht jeder Dienst jeden Inhalt) wird dann vielleicht das günstigere Abonnement wählen. Über Umwege sind sie also wieder beim erweiterten Finanzierungsmodell des klassischen TV angekommen.
Sinkende Vielfalt für steigende Profite
Zudem ist die angeblich große Auswahl an Filmen und Serien in vielen Fällen eine Mogelpackung. Grundsätzlich werden bei Streaming-Diensten auch nur bestimmte Arten von Filmen produziert: solche, die auf den eigenen “Meistgestreamt”-Listen möglichst gut abschneiden.
Diese Entwicklung verstärkt die Tatsache, dass nur Filme mit möglichst viel Aussicht auf Erfolg produziert werden. Das führt langfristig zu einem weniger diversen Angebot für Zuschauer:innen, denn: wenn sich eine Branche nur auf Profit konzentriert, ist meistens kaum Raum für Experimente und neue Wege.
Glatter, flacher, cleaner
Nicht nur die Diversität der Inhalte, sondern auch die Qualität der einzelnen Filme und Serien leidet unter der immer zunehmenden Streaming-Dominanz.
Als im November der Teaser für den zweiten Teil von “Der Teufel trägt Prada” veröffentlicht wurde, reagierten Fans mit Enttäuschung. Ein Screenshot aus dem neuen Teaser, der Anne Hathaway und Meryl Streep im Aufzug zeigt, wurde mit einem ähnlichen Shot aus dem ersten Teil von 2006 verglichen. Der Kontrast zwischen der detaillierten, schattenreichen Beleuchtung der originalen Szene und dem stark belichteten Weichzeichner-Look des neuen Teasers wurde schnell als “Netflix-Lighting” betitelt.
Zwar wird “Der Teufel trägt Prada 2” nicht von Netflix, sondern von 20th Century Fox produziert, aber diese Art von Beleuchtung verbinden viele Nutzer:innen mit Filmen und Serien aus dem Streamingbereich.
Bei großen Filmproduktionen ist es üblich, dass verschiedene Teams an den einzelnen Szenen arbeiten, um die immer straffer werdenden Zeitpläne einzuhalten. Um im Schnitt ein lückenloses Arbeiten zu garantieren, greifen die Filmemacher:innen zu einer schattenlosen Beleuchtung, die im finalen Produkt dann sehr glattgebügelt und visuell uninteressant wirken kann. Ein reines Effizienzmittel also.
Dass dieser konkrete Look von Zuschauer:innen als “Netflix Lighting” bezeichnet wird, gibt den Hinweis, dass “Streaming” mittlerweile als Synonym für “Quantität”, nicht aber “Qualität” genutzt wird.
Kill Your Darlings
Wenn es ein Streamingdienst aber doch schafft, eine originelle, spannende Serie zu produzieren, ist das noch lange kein Garant für langfristige Qualität.
Bei Netflix zum Beispiel wurden schon oft beliebte Serien nach der ersten oder zweiten Staffel abgesetzt, weil sie nicht die gewünschten Streaming-Zahlen lieferten. Da Netflix kaum Einblick in die eigenen Leistungskennzahlen gewährt, ist es für Fans doppelt frustrierend, wenn eine von ihnen geliebte Serie wie zum Beispiel “Shadow and Bone” oder “Anne with an E” ohne wirklich nachvollziehbare Erklärung abgesetzt wird. Das trägt zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei, denn wenn es sein kann, dass die Favoriten jederzeit gecancelt werden, lohnt sich ein Abo dann überhaupt noch?
Donald Trump bestimmt den Produktionsplan mit?
Neben der sich verschlechternden Qualität und der sinkenden Diversität ist auch potenzielle politische Einflussnahme ein Phänomen, dem sich die Streaminganbieter genau wie andere Medien zunehmend stellen müssen.
Die Bieterschlacht um Warner Brothers Discovery (zu dem auch der Streamingdienst HBO Max gehört) wird derzeit von zwei Parteien geführt: Netflix und Paramount Skydance. Letztere Firma gehört seit kurzem dem Softwäre-Milliardär Larry Ellison, der ein bekannter Trump-Unterstützer ist. Außerdem wird das Paramount Angebot von der Investment Firma Affinity Partners unterstützt – und die gehört Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass bei einer Übernahme durch Paramount vor allem die Projekte realisiert würden, die im Einklang mit der Linie der Trump-Regierung sind.
Auch die Writers Guild of America, also die Gewerkschaft der Autor:innen in der Film- und Fernsehindustrie, warnt vor der Übernahme. Laut der WGA würde dies zu Stellenkürzungen und somit noch weniger kreativem Content für Konsumen:innen führen.
Monopoly – aber nicht die Sorte, die Spaß macht
Die meisten Streamingdienste können also ihre Versprechungen von werbefreien, vielfältigen Filmen und Serien nicht halten. Leider fehlt den Konsument:innen oft eine echte Alternative: die großen Player Netflix, Amazon Prime Video und Disney + haben teilweise schon monopolähnliche Marktanteile. Auch die geplante Warner Brothers Übernahme wird diese Problematik wohl nicht verbessern – und die Kund:innen damit vor weiter schwierige Entscheidungen stellen.