
Kommentar
Kobold zähmen leicht gemacht
Zum Oktoberfest macht der Kobold Pumuckl Bahn-Ansagen, im Lehel regelt er den Verkehr. Ein Anarchist, der für Ordnung sorgt. Unter Autor Sebastian Bergsteiner findet: Das geht zu weit! Ein Kommentar gegen die Heinzelmännchenisierung eines Kobolds.
Hausfriedensbruch, Diebstahl, Brandstiftung. Analysiert man alles, was der Kobold Pumuckl da in über 80 Folgen der Orginalserie so in seinem Vorstrafenregister zusammen gesammelt hat, ist es verwunderlich, dass die Münchner Polizei ihn noch nicht in Präventivhaft genommen hat. Diese handelt schließlich noch nach “Menschengesetzen”, so würde es der Pumuckl sagen. Doch die sind für Kobolde nicht relevant. Deren Rechtstreue gilt den “Koboldsgesetzen”, die dem Rechtssubjekt praktischerweise alles durchgehen lassen. Sie sogar zum Schabernack auffordern.
Vernunft, Vernunft hat eine keine Unterkunft
in der großen Koboldszunft.
- Pumuckl, Gewerkschaftsvertreter
In der Orginalserie aus den 1980ern ist Pumuckl ein Raudi, Chaot, Anarchist, Hedonist – ein Kobold halt. Und als solcher verachtet er alles, was brav, anständig und fleißig ist. Der Kontrast zum gutbürgerlichen Meister Eder – sein menschliches ordnungspolitisches Korrektiv – hat den Charme des Orginals ausgemacht.
Mehr Establishment geht nicht
In 2025 erlebt München eine Koboldsrennaissance. Auf Ampeln im Lehel regelt er den Verkehr, macht Werbung für Nudeln, lästert auf dem Youtube Kanal des Bundesverkehrministeriums über Handys und seit Neuestem sagt eine KI-generierte Pumucklstimme in der Münchner S-Bahn die nächste Station an. Ein Kobold, der organisiert und hilft. Zur Einweihung der Pumucklampel kommen Ministerpräsident Markus Söder und Oberbürgermeister Dieter Reiter. Mehr Establishment geht nicht. Die Heinzelmännchiniserung des Kobolds.
Das kann man jetzt als ein Beispiel für eine gelungene Widereingliederung eines Münchner Kleinkriminellen sehen. Die Ampeln sind süß. Und süß war der Pumuckl schon immer. Aber halt erst erst nach einer ordentlichen Standpauke vom Meister Eder. Und dass der Pumuckl manchmal ein lieber Kerl ist, ist noch viel mehr wert, wenn man weiß, wie boshaft er die meiste Zeit ist.

Und es stellen sich auch praktische Fragen: Im Orginal verursacht Pumuckl mal einen Autounfall und fährt nicht gerade vorbildlich mit seinem Spielzeugauto durch die Gegend Und so einer soll den Münchner Verkehr regeln?
Spießerkobold für Spießerstadt
Auch im insgesamt sehr gelungen RTL+ Reboot der Serie sehen wir einen weichgespülteren Kobold. Es gibt da eine Szene, in der er einen Gartenzwerg streichelt. In den 80ern hatte der Klabauter in einer Folge mal insgesamt glatt vier Gartenzwege auf dem Gewissen. Denn die stehen für alles, was der Pumuckl eben nicht ist: Helfer, Langweiler, Streber. Ein Kobold, der zum Spießer wird, passt leider gut zu einem München, in dem die Clubs Stück für Stück verschwinden, man zum Spaßhaben vorher Zelte aufbauen muss und Biertrinken nach zehn Uhr kriminalisiert wird.
Wie wäre es stattdessen mit einer Pumucklstatue, die dem Münchner Kindl das Bier verschüttet, Pumucklgraffiti im Che-guevara Stil, Pumucklansagen statt Pausengong?
Man würde den Pumuckl gerne fragen, was er davon hält. Wenn er denn noch Antworten gibt, die nicht vorher von der Stadtverwaltung abgesegnet werden müssen.