Filmfest 2022

La Place d’une autre

/ / Bild: Filmfest München

Eine Identitätsdiebin auf der Suche nach einem neuen Leben. Regisseurin Aurélia Georges webt in in La Place d’une autre die Geschichte eines Dienstmädchens eine subtile Reflexion über Klassenunterschiede. Ob ihr das gelingt?

Es ist 1914 in Paris. Die junge Nélie Laborde sieht im Beitritt zum Roten Kreuz eine Chance ihrem Leben auf der Straße zu entkommen. Während ihrem Einsatz an der Front begegnet sie Rose Juillet aus gutem Schweizer Hause. Aufgrund des Krieges ist sie von ihrem Weg nach Nancy abgekommen, wo sie eigentlich eine Stelle als Vorleserin für die wohlhabende Witwe Eléonore de Lengwil annehmen wollte. Doch bei einem Bombenangriff stirbt sie vor Nélies Augen, die sich kurzerhand entschließt die Identität von Rose anzunehmen.

Klassischer Stoff unterfüttert mit Gesellschaftskritik

La Place d’une autre lehnt das romantische Motiv des Identitätsklaus ab. Stattdessen reflektiert der Film auf subtile Art die Klassenunterschiede und Ungerechtigkeiten. Er zeigt auch kein Szenario der Täuschung und List, denn Nélie fügt sich perfekt in ihre Rolle ein, als wäre sie schon immer dafür bestimmt gewesen. Denn obwohl ihr bisheriges Leben von Armut und Mittellosigkeit geprägt war, kann sie sich aufgrund ihres Intellekts und ihrer Belesenheit sofort in die neue Position einfinden.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kontrast in der Schauspielleistung

Doch die Geschichte nimmt eine Wendung als die echte, totgeglaubte Rose auf einmal auftaucht. Das neue Leben von Nélie gerät dadurch in Gefahr und sie in ein moralisches Dilemma. Die Regisseurin Aurélia Georges zeigt uns Nélies Art die Realität zu arrangieren und versucht uns dabei an ihren komplexen und widersprüchlichen Gefühlen teilhaben zu lassen. Zwar lassen die raren Dialoge einen kleinen Einblick in Nélies Gefühlswelt zu. Die zahlreichen reinen Schauspielpassagen der Hauptdarstellerin Lyna Khoudri (The French Dispatch) sind allerdings von wenig Ausdruck und einer gewissen Erstarrung geprägt. Die Figur der Nélie scheint dadurch eher gefühlskalt und unnahbar, statt geheimnisvoll oder in sich gekehrt. Um sich mit der Hauptfigur wirklich identifizieren zu können, hätte es von Anfang an mehr Leichtigkeit und Emotionen gebraucht.

Viel gelungener ist die Besetzung für die Witwe Eléonore. Die Schauspielerin Sabine Azéma verkörpert die Rolle der wohlhabenden und kultivierten Dame perfekt und kann ihre Rührung über die Zartheit und Intelligenz ihrer neuen Vorleserin ohne große Worte zum Ausdruck bringen. Auch die immer enger werdende Bindung zwischen ihr und Nélie wird hauptsächlich durch Eléonore getragen.

Das lange Warten

Der Film besticht zwar mit seiner Umsetzung zum Beispiel in Kostüm, Musik und den szenischen Bildern, die er malt. Doch durch die lange Vorgeschichte und anfangs spärlich eingesetzte Spannung wirkt er zunächst eher wie ein klassischer Epochenfilm, statt einem gesellschaftskritischen Drama.

La Place d’une autre läuft am 26., 27. und 29. Juni auf dem Filmfest München.