Stimmen aus der Kultur

Vorhang zu für die Kultur

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In Theatern in Deutschland bleibt der Vorhang unten, in Kinos die Leinwand leer und in Museen die Türen geschlossen. Doch wie geht es Menschen der Kulturszene in der aktuellen Lage? Wir haben bei verschiedenen Kunstschaffenden in München nachgefragt, was die Schließung für sie selbst und ihre Einrichtung bedeutet und wieso Kultur für sie systemrelevant ist.

Jochen Schölch, Gründer und Leiter des Metropoltheaters :

” Für die Freie Szene und für die freien Theater ist es besonders schwierig, weil die meisten natürlich auf dem Prinzip der Selbstausbeutung arbeiten und ich bin mir nicht sicher, ob das alle auch gleichermaßen durchstehen können. Und auf die wichtige Frage, ob denn Kultur systemrelevant ist, halte ich es sehr mit dem Satz von Claudia Roth, dass es immer die Frage ist, was man unter System versteht. Ist das System gemeint, ob es wirtschaftlich funktioniert oder kulturell? Claudia Roth hat ja den Satz geprägt Kultur ist vielleicht nicht systemrelevant, aber Demokratierelevant. Und das halte ich für sehr wichtig in dieser Zeit. Wir müssen gerade diese Prozesse, diese angstmachenden Prozesse, die uns umgeben, moderieren. Und wir müssen einen Diskurs darüber führen, wie wir als Gesellschaft damit umgehen werden. Dafür brauchen wir dringend die Diskurs Räume und das sind eben die Theater.”

Daniel Veldhoen, Teil des neuen künstlerischen Leitungsteams der Münchner Kammerspiele :

“Als neues Team haben wir natürlich gerade angefangen mit der neuen Spielzeit und hatten sechs großartige, sehr unterschiedliche Premieren und mussten nur kurz danach wieder zumachen und uns von unserem Publikum verabschieden, nachdem wir gerade mit viel Kraft angefangen haben. Tatsächlich merken wir auch, wie wichtig es ist, in dieser Zeit einen Ort zu haben, an den man gehen kann, wo man über diese Situation, die Zeit der Pandemie sprechen kann, künstlerische Impulse bekommt. Und wir als Theater haben im letzten halben Jahr viel gemacht, um ein sicherer Ort für diese Zusammenkünfte zu sein. Und demnach schmerzt es uns umso mehr, dass wir diese Angebote jetzt nicht aufrechterhalten können. Wir hoffen sehr, dass es etwas bringt, dass wir uns nun zurückziehen mussten und dass der Wandel kommt, dass die Kurve sich abflacht und wir hoffentlich bald wieder die Theater eröffnen können.”

Ute Gröbel und Antonia Beermann, Hoch X Theater und Live Art :

U.G.: “Welche Bedeutung hat der Lockdown für Kunst und Kultur? Natürlich gibt’s einen großen Frust bei den Kunst und Kulturschaffenden, dass es trotz der ausgefeilten Hygiene Konzepte wieder so weit gekommen ist, dass ein Lockdown nötig war. Und bei vielen äußert sich neben dem Frust natürlich auch ein großes Unverständnis dafür, dass man sich so viel Mühe gegeben hat mit den Abstandsregelungen, mit Desinfektion, mit personalisierten Ticketing. Ja, dass das alles nicht gereicht hat. Und natürlich sehen wir auch eigentlich, dass die Politik diese Notwendigkeit auch zu wenig kommuniziert hat. Also warum ist es jetzt notwendig, dass auch gerade Kunst und Kultur wie andere Freizeitstätten schließen müssen? Und das Zweite, was ich für große Frustration sorgt, ist, dass obwohl wir jetzt ja diese Erfahrung im Frühjahr schon einmal gemacht haben, in der Zwischenzeit eigentlich wenig passiert ist, was Hilfsmaßnahmen angeht. Also die ganzen Sofortprogramm, die auch weit kritisiert wurden, als viel zu gering, viel zu bürokratisch, viel zu spät. Es zieht sich ja weiter durch.”

A.B. “Ja, für uns am Hoch X. Also wir sind zwar zu, aber das heißt nicht, dass wir in Kurzarbeit gehen oder unsere Überstunden gemütlich zu Hause auf der Couch verbringen können, sondern für uns heißt es tatsächlich doppelte Arbeit. Wir haben einen November Spielplan bereits gemacht und der war fertig. Jetzt fangen wir quasi wieder von Null an und konzipieren und realisieren gemeinsam mit den Künstler**innen einen weiteren November Spielplan. Insofern heißt das für uns tatsächlich einfach doppelte Arbeit für das gleiche Geld. Wenn man ganz ehrlich ist.”

Anna Konjetzky, Choreographin und Teil des Vorstands des Netzwerks Freie Szene

“Die Frage war ja, wie die Situation für die freischaffenden Künstler*innen ist. In einem Satz gesagt: Ziemlich schwierig. Die Einkommen sinken massiv, die Ausgaben bleiben aber ähnlich. Und dann gibt es natürlich auch alle Form der Schwierigkeiten von Kinderbetreuung etc., von Leuten mit Home Office oder wie man überhaupt eine bestimmte künstlerische Praxis weitermachen kann. Zum Beispiel aus Sicht von Tänzern, mit denen ich arbeite. Es wird wieder alles abgesagt und dann muss man sagen jetzt können sie wieder was machen. Die Frage, wie, was dazwischen passiert und wo, das bleibt eine Frage. Aber neben diesen finanziellen Problemen gibt es natürlich auch ein Sichtbarkeit Problem. Und dieses Sichtbarkeits Problem hat mehrere Aspekte in sich. Zum einen fällt auch einfach ein Kontakt zum Publikum weg und ein permanenter Austausch zum Publikum. Was das langfristig bedeutet, weiß ich gar nicht. Aber in jedem Fall ist ja ein Problem, dass auch damit ein öffentlicher Diskurs und ein öffentlicher Begegnungs- und Reflektionsort, den Kunst und Kultur ja bieten kann, wegfällt. Und ich glaube, das ist ziemlich fatal. Insofern schwierige Zeiten für die freien Künste.”