Vom Knochen zum Smartphone

25 Jahre Evolution

/ / Bild: Shutterstock / ek_kochetkova

Stellt euch vor, ihr wollt mobil erreichbar sein und müsstet ein fast ein halbes Kilo schweres Gerät mit euch schleppen, das aufgrund seiner Klobigkeit nur schwer in eure Hosentasche passt. Messenger? Social-Media? Selfies? LOL! SMS, zweifarbige Displays, Tasten statt Touchscreen, keine Vibration und nur monophone Klingeltöne. Gespräche kosten ca. 66 Cent pro Minute. Willkommen im Jahr 1996 – dem Gründungsjahr von M94.5!

In den Öffis sitzen und mit Bluetooth-Kopfhörern Musik aus dem M94.5-Stream hören, gleichzeitig über den Messenger-Dienst des Vertrauens mit Freund:innen schreiben oder auf Social-Media Plattformen herumscrollen: Was heute Normalität ist, war vor 25 Jahren undenkbar. 1996 schleppten einige wenige Businessmenschen den Urahnen des Smartphones mit sich herum: Den gerade neu auf dem Markt erschienenen „Nokia 9000 Communicator“.

So sperrig wie der Name klingt, ist aus heutiger Sicht auch das Gerät. Das stolze 2.700 DM (ca. 1.380 € – Inflation nicht mit einberechnet) teure Gerät wog knapp 400 Gramm und ließ sich mit etwas mehr als 17 cm Höhe, einer Breite von 6,4 cm, sowie einer Dicke von 3,8 cm nicht gerade bequem in der Hosentasche transportieren. Der für Businesskunden konzipierte Klumpen war den Handys dieser Zeit technisch gesehen meilenweit voraus! Der aufklappbare Organzier enthielt neben einem Kalender, einem Notizbuch und einem Taschenrechner die Möglichkeit SMS, Faxe und sogar E-Mails zu versenden und im Internet zu surfen. Damit übertraf der Communicator bereits 1996 den technischen Stand der Gesundheitsämter in Deutschland zu Beginn der Corona-Pandemie.

Schon 1996 auf dem Stand so mancher Behörden heute: Der Nokia 9000 Communicator (Bild: Nokia Communicator 9000 Opened – Derivative of image by textlad on flickR (https://www.flickr.com/photos/textlad/10947719114 Creative Commons license)

Ziegelsteine für die Masse

Die breite Masse war allerdings 1996 noch nicht mit einem Handy ausgestattet. Es gab in Deutschland zu dieser Zeit erst ca. 5,5 Millionen Mobilfunkanschlüsse. Als erstes Handy für den Massenmarkt kann das Nokia 5110 bezeichnet werden, welches 1998 sein Release feierte. Dieses Handy war es, das das legändere Spiel „Snake“ bereit hielt. Die technische Entwicklung überschlug sich dann in den Folgejahren. Nur ein Jahr später kam mit dem Siemens S25 das erste Handy mit Farbdisplay auf dem Markt. Zur Jahrtausendwende folgte mit dem Sharp J-SH04 dann die das Erste mit integrierter Kamera. 2002 kam mit dem Erricson P800 dann der erste Farb-Touchscreen. Unvergessen bleiben zudem die legendären Motorola Klapphandys. Die Zahl der Nutzer:innen ging in diesem Zeitraum deutlich nach Oben. 2002 lag die Zahl der Mobilfunkverträge in Deutschland schon bei knapp 60 Millionen.

Telefonieren, SMS schreiben, rasieren

Neben den erfolgreichen Klassikern gab es auch einige Ideen, die heute eher skurril wirken. So hat Siemens in der 8-teiligen Xelibri-Reihe versucht Handys mit Mode-Accessoires zu verschmelzen. Das Xelibri 6 ist beispielsweise eine Kombination aus Schminkspiegel und Handy. Ein chinesischer Hersteller hat mit dem „Cool758“ auch ganz praktisch gedacht. Unterhalb der Tasten befindet sich nicht wie gewohnt ein Lade-Slot, sondern eine abnehmbare Abdeckung, hinter der sich ein elektrischer Rasierer verbirgt.

Auch Panasonic versuchte sich an der Verschmelzung von Schminkspiegel und Handy (Links). Foto: Shutterstock/ArieStudio

Zu den beliebtesten Handys um die Jahrtausendwende zählt ohne Frage das Nokia 3310. Neben im Netz kursierenden Witzen über die lange Akkulaufzeit ist es unter seinem Kosenamen „Ziegelstein“ bekannt. Dieser Bezeichnung macht es auch alle Ehre. Der Beweis? Ein „Drop-Test“ auf YouTube! Dabei wurde ein Samsung Galaxy S10 und ein Nokia 3310 aus umgerechnet ca. 300 Meter Höhe von einer Drohne abgeworfen. Während das S10 einen Totalschaden erlitt, flogen beim 3310 die tauschbaren Teile wie Akku und Hülle zwar herum, hatten aber höchstens ein paar Schrammen. Nach dem Zusammenbauen war das 3310 dann sofort wieder funktionsfähig. Das unsterbliche Ungetüm ist übrigens seit 2017 in einer Retro-Version erhältlich. Der Hersteller HMD sicherte sich die Lizenzrechte und stattete die Neuauflage mit einem Farbdisplay und einer Kamera aus.

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Auch Jugendliche wurden zur Zielgruppe. So kam es zum naheliegenden Versuch, Spielkonsolen mit Handys zu kombinieren. Ein prominentes Beispiel wäre das Nokia N-Gage, das sich allerdings aufgrund geringer Auswahl an Spielen und der Konkurrenz zum Gameboy nicht lange am Markt halten konnte. Ende der Neunziger Jahre erschien mit dem Cybiko zwar nicht ein Handy im eigentlichen Sinne, allerdings erlaubt dieser Gameboy-artige Organizer neben Spielen und dem Hören von MP3-Dateien eine antennenbasierende Chat-Kommunikation auf bis zu 450 Meter. Auch wenn sich diese Idee der Verschmelzung von Spielkonsole und Handy zunächst nicht etablieren konnte, lassen sich heute Gameboy-Spiele problemlos auf dem Smartphone emulieren.

Das Smartphone – die Krone der Schöpfung?!

Zur großen technischen Revolution kam es ab Januar 2007, als Steve Jobs das iPhone vorstellte. Damit war das Zeitalter der Smartphones eingeläutet. In den Jahren darauf wurde der Farb-Touchscreen auf dem Markt zum Standard und die Bedienung änderte sich dadurch grundlegend. Mit dem Aufkommen von Messenger Apps, Social-Media und den Flat-Tarifen kam es zu nichts Geringerem als einer Neuordnung unserer Kommunikationsweise. Das Smartphone, das zur Gründungszeit von M94.5 noch in Form eines klobigen Nischenprodukts für wenige Business-Menschen ein nettes Accessoire war, ist heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Aber wer weiß, vielleicht werden Wearables wie Smartwatches oder gar Implantate das Smartphone schon bald ablösen. Mit der Möglichkeit immer größerer Rechenleistung auf immer kleinerem Raum zu bündeln eröffnen sich neue Horizonte. Vielleicht kommt auch die Grundidee der gefloppten Siemens Xelibri Reihe zurück und wir führen Bald Video-Konferenzen über sprachgesteuerte Schminkspiegel.

Das Smartphone wird jedenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein und die nächsten 25 Jahre kommen bestimmt.