Kommentar

Wie das Tafelsystem Armut in Deutschland aufrechterhält 

/ / Bild: M94.5 / Vroni Kallinger

Die letzten drei Jahre waren und sind auch hier in Deutschland noch immer von Krisen bestimmt. Von einer Pandemie bis hin zum Krieg hat unsere Gesellschaft mittlerweile so einiges mitgemacht. Genau diese zahlreichen Krisen führen dazu, dass in Deutschland immer mehr Menschen in Armut leben und Hilfsangebote wie die organisierten Tafeln in Anspruch nehmen müssen. Dabei sind diese Hilfsangebote oft Ausdruck mangelnden politischen Handelns. Ein Kommentar von Maja Aralica. 

Ein Kommentar von Maja Aralica

Immer mehr Menschen in Deutschland sind auf die Lebensmittel-Tafeln angewiesen, weil sie sich ihre Einkäufe im Supermarkt nicht mehr leisten können. Und so scheint die Tafel auf den ersten Blick eine großartige Sache zu sein, die Menschen in Not hilft. Aber auf den zweiten Blick wird klar, dass Tafeln eigentlich nur Überfluss umverteilen, ohne dabei Fehlendes zu decken. Denn das ist eigentlich Aufgabe des Staats. Jedoch wird die Tafel meist als symbolpolitisches Aushängeschild genutzt, damit sich Politiker:innen wie Markus Söder als Ritter in glänzender Rüstung ablichten lassen können, während sie im Bundestag das Bürgergeld blockieren und somit auch sämtliche Aussicht auf nachhaltigere Hilfe für von Armut betroffene Menschen. Das sind in Deutschland aktuell laut dem Paritätischem Armutsbericht 2022 erschreckende 16,6 Prozent.  

ARMUT IST KEIN INDIVIDUELLES PROBLEM

Zwar bekommen Menschen in Not kurzfristig Hilfe bei der Tafel, aber langfristig ändert sich nichts am Armutsproblem in Deutschland, was Tafeln zu einem Symptom politischen Versagens macht. Denn wie kann es sein, dass über zwei Millionen Menschen in Deutschland auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen sind, weil sie sich den Lebensmitteleinkauf einfach nicht mehr leisten können? Wie kann es sein, dass Tafeln Aufnahmestopps verhängen müssen, weil sie einfach nicht mehr genug Lebensmittel ausgeben können? Wenn sich der Staat seiner sozialen Verantwortung entzieht und diese auf gemeinnützige Organisationen ablädt, gerät ein solches System schlichtweg an seine Grenzen. Plötzlich liegt Armutsbekämpfung nicht mehr in den Händen von Politik und Gesellschaft, sondern in den Händen von ehrenamtlichen Helfer:innen und letztendlich auch in der Verantwortung von jedem selbst. Denn schließlich muss sich Leistung ja lohnen, so die CSU-Begründung zur Blockade des Bürgergelds.  

Foto: M94.5/ Marie Resch

ARMUT ZU BEKÄMPFEN IST VERANTWORTUNG DES STAATS

Und so kommt es, dass die Politik reichlich Fördergeld in die Tafeln steckt, was nicht ansatzweise reicht, um den Bedarf an benötigten Lebensmitteln zu decken. Das Problem Armut in Deutschland wird dadurch aktiv am Leben gehalten, aber dafür mit gutem Image für die Politik. Armut zu bekämpfen bedeutet nicht einfach sämtliche Verantwortung von sich zu weisen und ehrenamtliche Helfer:innen zugunsten des Wahlkampfs in höchsten Tönen zu loben. Armut aktiv zu bekämpfen bedeutet, dass von politischer Seite Rahmenbedingungen zur Armutsbekämpfung geschaffen werden müssen und Armut in unserer Gesellschaft nicht mehr als “normal” gesehen wird. Der Staat sollte es nicht erlauben, dass seine Bürger:innen unter dem Existenzminimum leben müssen. Das bedeutet, dass es nicht ausreicht, lediglich ein paar weggeworfene Lebensmittel bereitzustellen und die Menschen damit in ihrer Not allein zu lassen. Es braucht aktiv Gelder, um sicherzustellen, dass jede:r in Deutschland eine gesicherte Existenz hat. Konkret kann das bedeuten: ein gesichertes Grundeinkommen, Hilfe bei bürokratischen Hürden, ausreichend hohe Bürgergeldbeiträge und Entnormalisierung von Armut. Denn schließlich ist die Würde des Menschen unantastbar.