Platten vor die Säue

Vince Staples – FM!

/ / Bild: Vince Staples / Def Jam Recordings

Es ist Sommer im kalifornischen Long Beach und wie sich die zahlreichen warmen Tage an der amerikanischen Westküste anfühlen, und vor allem anhören zeigt uns Vince Staples auf seinem neuen Album FM!.

Vince Staples hat sich nach zwei Alben, zwei EPs und einigen witzigen, aber auch cleveren Auftritten auf diversen Lifestyle-Seiten einen immer größeren Namen im Hip-Hop gemacht und auch wenn der große künstlerische Durchbruch bisher ausblieb, hat er wieder bewiesen, dass sich beständige Qualität auszahlt. Nach seinem letzten großen Album Big Fish Theory hat der Rapper gut ein Jahr nichts mehr von sich hören lassen, um sich dann aus dem Nichts mit diesem 22-minütigen Zwischenprojekt zurückzumelden.

Bei FM! ist der Name Programm und das komplette Album wird wie ein Segment der tatsächlich existierenden, kalifornischen Radio Show „Big Boy´s Neighborhood“ präsentiert. Sogar die echten Moderatoren und Station IDs des beliebten Senders sind zwischen den Tracks zu hören und machen aus dem kurzweiligen Projekt eine authentische Zusammenfassung von dem, was der charakteristische Rapper in seiner Heimatstadt so erlebt und was er damit verbindet.

Die ersten Tracks sind zwar wie alle Songs des Albums sehr kurz, aber machen mit ihrem nahtlosen, schnellen Übergang gleich klar, was Staples mit dem Album zeigen wollte: Weniger ist Mehr. Im Gegensatz zu anderen großen Namen im Hiphop braucht er keine Doppelalben in Überlänge, keine dreifachen Features pro Track und auch keine Skandale auf Twitter um ein gutes Album rauszuhauen, das einfach Spaß macht, aber auch mindestens so viel Stimmung und persönliche Erfahrungen in 22 Minuten verpackt, wie es die meisten Platten in der doppelten Zeit nicht hinkriegen.

Am besten sieht man das allgemeine Konzept hinter dem Album in seinem neuen Musikvideo zu „FUN!“, das sinnbildlich für das Album, auf den ersten Blick zwar einfach wie guter, schneller Hip-Hop daherkommt, aber mit jeder neuen Sekunde und Line immer mehr das Chaos zeigt, dass in den ärmeren Gegenden des sonnigen Bundestaats zur täglichen Routine gehört. Die Balance zwischen knackigen Rhythmen und melancholischen Untertönen, macht einem ein ziemlich klares Bild, dass in der Vergangenheit des Rappers, auf jeden Fall nicht alles legal und rosig gewesen seien muss.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Vince Staples – FUN!

Und keine Sorge, auch wenn nicht jeder Song ein Dutzend Features vorweist, hat das Album natürlich trotzdem seine nicht zu knappe Zahl an Gastauftritten, wir sind hier ja schließlich immer noch im Hip-Hop. Insgesamt sieben Features sind mit Künstlern wie Jay Rock, Kehlani oder Ty Dolla $ign auf dem Album drauf. Was einem hier wahrscheinlich gleich als erstes auffällt ist, dass zwei Tracks sogar nach ihren Features, Earl Sweatshirt und Tyga, benannt sind. Wer sich jetzt denkt, ob man überhaupt hören will wie ein Vince Staples Kollabo mit Tyga klingen würde, kann beruhigt sein: Die beiden Features sind einfach nur starbesetzte Interludes, die lediglich die Radiothematik des Albums weiter pushen sollen, indem sie die mehr oder weniger bekannten Rapper als neue Lieder im Programm von „Big Boy´s Neighborhood“ ankündigen, nur um dann 20-30 Sekunden lange Ausschnitte von fiktiven neuen Songs der jeweiligen Künstler zu zeigen. Diese Interludes sind eigentlich ein bisschen wie das Album, eine witzige Idee die gut funktioniert, aber fast schon ein bisschen enttäuscht, indem man letztendlich nur kurze Ausschnitte von etwas hat, was man eventuell noch länger gehört hätte (auch wenn das jetzt nicht unbedingt Tyga sein müsste).

Was Fans bei dem Album jedoch vermissen werden, ist die charakteristische Note, die man von ihm mittlerweile gewohnt ist. Wenn wir bisher eins in der Diskographie von Vince Staples gehört haben, dann das der Mann mit der hohen Stimme weiß, wie man aus sehr experimentellen Ideen, Beats und Features trotzdem überraschend runde und interessante Projekte machen kann. Leider ist bei FM! nicht viel von der experimentierfreudigen Seite seiner Musik zu hören. Auf der einen Seite ist das natürlich dem ebenso kreativen, radiotauglichen Konzept des Albums geschuldet, aber wenn man sich an seine Musik gewöhnt hat, vermisst man es fast ein bisschen mit neuem, frischem Sound überrascht zu werden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Vince Staples mit FM! ein sehr gute, kurze Hommage an seine früheren Tage gelungen ist, die sich zwar mehr nach Mainstream anhört als seine bisherigen Songs, aber mehr als genug ist um die Wartezeit zu seinem nächsten richtigen Studioalbum zu überbrücken.