Auf dem Weg ins Gericht: Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) und Jerry Rubin (Jeremy Strong) © Netflix

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The Trial of the Chicago 7

/ / Auf dem Weg ins Gericht: Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) und Jerry Rubin (Jeremy Strong) © Netflix

Aaron Sorkin ist einer der berühmtesten Drehbuchautoren der USA. Sein Spezialgebiet ist die Adaption zeitgeschichtlicher und politischer Stoffe, denen er mit etwas Hollywood-Magie moralische Aussagekraft verleiht. Für The Trial of the Chicago 7 nimmt er sich ein Ereignis aus den späten 1960er Jahren vor, das im Jahr 2020 mit den Black-Lives-Matter-Protesten auf unerwartet dramatische Weise relevant wurde. Sechs Oscar-Nominierungen belegen, wie zeitgemäß diese Geschichte heute ist.

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Trailer zu The Trial of the Chicago 7

Struktureller Rassismus, machtgierige Politiker, Polizeigewalt und eine korrupte Justiz: Darum dreht sich The Trial of the Chicago 7. Den ersten Entwurf für das Drehbuch hat Aaron Sorkin (The Westwing, The Social Network) schon 2007 geschrieben. Die Story, die im Grunde ziemlich düster ist, würzt er gekonnt mit witzigen Dialogen, ohne die ernsten Themen zu untergraben. Dass diese gegensätzliche Mischung so gut funktioniert, liegt an den Charakteren, die im echten Leben nur wenig gemeinsam hatten.

Eine “Verschwörung” schillernder Charaktere mit wenigen Gemeinsamkeiten

Der Anti-Kriegs-Aktivist Abbie Hoffman lebt sein politisches Engagement gelegentlich als Stand-Up-Comedian aus. Sein Kollege Jerry Rubin wird sich später zu einem millionenschweren Investor auswachsen. Die beiden liegen sich kontinuierlich mit Tom Hayden in den Haaren, der selbst in die Politik gehen und fast 20 Jahre mit Jane Fonda verheiratet sein wird. Und Black-Panther-Mitbegründer Bobby Seale landet im Grunde nur auf der Anklagebank, damit die rassistischen Ängste der Geschworenen eine Verurteilung garantieren. Obwohl die meisten der Angeklagten vor ihrer Festnahme nichts miteinander zu tun hatten, werden sie als Verschwörer verhaftet: Sie hätten während des demokratischen Parteitages in Chicago zu Krawallen angestiftet. Später wird sich herausstellen, dass die Gewalt von der Polizei ausging. Die Staatsanwaltschaft unter dem neuen Präsidenten Nixon will aber ein Exempel statuieren gegen die vermeintlichen Chaosstifter.

Ein stargespicktes Ensemble

Das Ensemble ist gespickt mit großen Namen, die ganze Regale mit ihren Auszeichnungen füllen können, darunter Sacha Baron Cohen (Golden Globes für seine Borat-Filme), Jeremy Strong (Emmy für Succession), Eddie Redmayne (Oscar für Die Entdeckung der Unendlichkeit), Yahya Abdul Mateen (Emmy für Watchmen), Frank Langella (Tony für Frost/Nixon), Michael Keaton (Golden Globe für Birdman) und Mark Rylance (Oscar für Bridge of Spies). Viel Raum bleibt den einzelnen Darsteller:innen nicht. Trotzdem glänzt besonders Sacha Baron Cohen. Er hatte am ungewöhnlichen Akzent von Abbie Hoffman schon gearbeitet, als vor 13 Jahren noch Steven Spielberg für die Regie vorgesehen war. Cohen bekam die Rolle, die er auch unter Aaron Sorkin behalten durfte.

Vor Gericht: Black Panther Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II), Anwalt Ben Shenkman (Leonard Weinglass), Anwalt William Kunstler (Mark Rylance), Tom Hayden (Eddie Redmayne) und Rennie Davis (Alex Sharp) © Netflix
Vor Gericht: Black Panther Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II), Anwalt Ben Shenkman (Leonard Weinglass), Anwalt William Kunstler (Mark Rylance), Tom Hayden (Eddie Redmayne) und Rennie Davis (Alex Sharp) © Netflix

Wer die wahre Geschichte des Prozesses der Chicago 7 nicht kennt, könnte vermuten, dass Sorkin eine politische Agenda verfolgt. Insbesondere, wie Richter Julius Hoffman mit Bobby Seale umspringt, wirkt wie aus einem Kafka-Roman abgeschrieben. Einem schwarzen Angeklagten, auf Anweisung des Gerichts geknebelt und an seinen Stuhl gefesselt, wird sowohl sein Anwalt als auch das Recht, sich selbst zu verteidigen, verweigert. Die Realität war wesentlich drastischer, über Tage wurde Bobby Seale misshandelt. Die Nationalgarde löste die Proteste vor dem Gerichtsgebäude auf, fünf der Angeklagten wurden zu fünf Jahren Haft verurteilt (das Urteil wurde erst zwei Jahre später aufgehoben). Im Film gibt es dagegen – typisch Sorkin – so etwas wie ein heroisches Happy End. Dennoch wühlt einen The Trial of the Chicago 7 auf. Und erinnert daran, dass wir viele gesellschaftliche Missstände auf der Welt immer noch nicht beseitigt haben.

The Trial of the Chicago 7 ist streambar über Netflix. Bei den Academy Awards 2021 ist der Film in sechs Kategorien nominiert: Bester Film, bestes Drehbuch, bester Nebendarsteller, beste Kamera, bester Schnitt und bester Filmsong.