Theaterkritik

Probleme, Probleme

/ / Bild: Arno Declair

Abdullah Kenan Karaca inszeniert am Münchner Volkstheater Ingeborg Bachmanns Erzählung einer jungen Frau, die sich lustlos durch kleine Alltagsproblemchen quält. Trotz unsympatischer Hauptfigur gelingt ihm dabei ein kurzweiliger, unterhaltsamer Abend.

Beatrix findet alles grauenvoll und belastend. Am liebsten würde sie ihre Zeit ausschließlich mit Schlafen verbringen. Schlafen findet sie sogar besser als Sex: “Falls sie je einer gefragt hätte und sie, was unwahrscheinlicher war, je eine Antwort gegeben hätte, was sie für das Schönste hielt, womit sie sich am liebsten die Zeit vertrieb, was ihr Traum war, was ihr Wunsch und ihr Ziel in ihrem Leben, dann hätte sie mit verschlafener Begeisterung sagen müssen: Nichts als schlafen!”

Beatrix hat keine Lust, irgendetwas zu tun. Sie hat die Schule abgebrochen, will nicht arbeiten, sich nicht mit Leuten treffen, nicht rausgehen. Sie liegt im Bett und entzieht sich dem gesellschaftlichen Leben fast völlig. Lediglich ihre Besuche im Frisörsalon René können der jungen Frau Glücksgefühle verschaffen. Dort, wo man sie umsorgt und sie schön gemacht wird, fühlt sie sich wohl.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Trailer zu Probleme Probleme am Münchner Volkstheater

Die Welt als Plastikhöhle

Passend zum oberflächlichen Wesen und dem lethargischen Zustand der Protagonistin ist die Bühne mit allerlei Plastikplanen bedeckt. Sie symbolisieren eine graue Welt, in der sich nicht viel bewegt; wie in einem leerstehenden Haus, in dem die Möbel abgedeckt wurden. Das gesamte Bühnenbild ist einer Höhle nachempfunden: ein Ort, an dem sich Beatrix zurückzieht, um nicht von der Welt überrannt zu werden.

Henriette Nagel, Jakob Immervoll und Max Poerting bewegen sich durch diese Welt und nutzen die Plastikbahnen auf kreative Weise, um mit ihnen allerlei Gegenstände darzustellen. Etwa ein Kleid, eine Frisörhaube, eine Zeitschrift, die albernen Muskeln von Erich – der verheirateten Affäre von Beatrix, die sie allerdings auch nur nicht beendet, weil ihr das zu anstrengend ist.

Max Poerting, Jakob Immervoll und Henriette Nagel in einer Höhle voller Plastikabdeckungen. Foto: Arno Declair

Gut umgesetzte Prosa

Es ist ja immer so eine Sache mit Prosatexten auf der Bühne: erzählt man sie einfach nur nach, kann das schnell anstrengend und langweilig werden. Nicht so hier. Regisseur Karaca lässt seine drei Schauspieler*innen immer wieder zwischen Nacherzählung und szenischer Darstellung wechseln, was angenehm erfrischend wirkt. Die drei schlüpfen dabei in verschiedene Rollen, wie etwa in Erich, in Beatrix’ Frisör Karl oder in Beatrix selbst. Besonders Jakob Immervoll spielt mühelos und sehr überzeugend mal die eine, mal die andere Person und gibt dabei jeder ihre gewisse Eigenheit (Erich, zum Beispiel, als leicht dümmlicher, wienerisch sprechender Typ mit übertriebenen Schultermuskeln).

Aufgelockert wird Bachmanns Text auch durch amüsante Tanzeinlagen, wie zum 70er Jahre Disco-Hit “Fly, Robin, Fly”, als sich Beatrix an ihre temporäre französische Freundin Jeanne erinnert. Und auch der Besuch im Frisörsalon, der zum Horrortrip wird, weil eine “unfähige” Aushilfe ihr Haare und Makeup nicht genau so macht, wie es die junge Dame gerne hätte, ist lustig umgesetzt. Mit Taschenlampen unter dem Kinn und filmreifer Horrormusik wird diese “Misshandlung” sehr unterhaltsam dargestellt.

Der Katastrophenbesuch beim Frisör. Foto: Arno Declair

Gelungene Umsetzung

Insgesamt ist der 90-minütige Abend kurzweilig und unterhaltsam und setzt die Erzählung von Ingeborg Bachmann lebendig in Szene. Mit einem schlichten, aber passenden Bühnenbild, witzigen Slapstick-Einlagen und überzeugenden Darsteller*innen, die gekonnt von einer Figur in die andere wechseln, ist Regisseur Karaca eine überzeugende Theateraufführung gelungen.

Probleme Probleme von Abdullah Kenan Karaca läuft noch bis mindestens Oktober im Münchner Volkstheater. Karten gibt es unter muenchner-volkstheater.de.