Politik im freien Theater

Pink Mon€y

/ / Bild: Suzy Bernstein

Selten lagen an einem Abend Freude und ausgelassenes Feiern, Wut und Beklommenheit so nahe beieinander wie während der Performance „Pink Money“ von Regisseurin Antje Schupp.

Am Abend vor der Performance „Pink Money“ findet im Rahmen des Formats „Gender Salon“ in der Glockenbachwerkstatt ein Vorgespräch mit den Performerinnen der Produktion statt. Sie sprechen über ihr queeres Club-Theater, das am nächsten Tag im Harry Klein stattfinden wird und in dem sie das Leben als LGBTI-Personen und damit einhergehende Diskriminierungen thematisieren. Während der Unterhaltung geht es immer wieder um sogenannte safe spaces, also Orte, an denen Menschen aus der LGBTI*-Community zusammenkommen und sich sicher fühlen können. Anelisa Stuurman aus Südafrika kommentiert dazu, dass sie als schwarze, lesbisch lebende Frau eine permanente potentielle Zielscheibe für Diffamierung sei. Sogar die eigenen vier Wände seien nicht immer sicher. Einen solchen safe space will die Gruppe in ihrer Performance im Club herstellen, wobei sie gleichzeitig in Frage stellt, ob das überhaupt möglich ist und man dort wirklich sicher sein kann…

Am nächsten Abend im Harry Klein: An der Wand hängen riesige Penisse aus Pappe, am DJ-Pult flattert goldene Glitzerfolie. Nach und nach verteilen sich die Zuschauer auf die beiden Stockwerke. Dann geht das Licht aus, die Musik an und die Performerinnen schreiten die Treppe hinunter auf die Tanzfläche, angetan mit schicken Sonnenbrillen und ausgefallenen Felljacken. Sie repräsentieren den Teil der Community, die rosafarbenes Geld in der Tasche hat. Geld, das genutzt wird, um an sichere Orte fahren zu können, an denen die eigene Sexualität toleriert wird. Je mehr Geld man hat, desto schwuler kann man sein, meint Performerin Kieron Jina dabei sarkastisch. Darin schwingt Kritik gegenüber Ländern mit, die queeren Menschen gegenüber sonst nicht sehr offen sind, sie aber tolerieren, solange sie nur genug Geld mitbringen.

Zwischen Ausgelassen- und Bedrücktheit

Die Künstlerinnen verhandeln im Laufe ihrer Performance geschickt und berührend Themen wie Gleichberechtigung, Sexualität und Toleranz. Sie schaffen es dabei den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle zu tauchen. Während die  Besucher in einem Moment noch zusammen zu Technomusik tanzen und queerer Sexualität feiern, bekommt sie im nächsten einen Magenschwinger versetzt, wenn Anelisa Stuurman ein persönliches Video zeigt, in dem eine Freundin von ihr in Amsterdam von einem weißen Airbnb-Gastgeber mit den Worten „Wir sind hier nicht in Afrika“ die Treppe heruntergestoßen wurde und reglos liegen blieb. Ungläubigkeit und Wut ist bei vielen im Publikum nach diesem Clip im Gesicht zu lesen. Es sind die eigenen Geschichten der Performerinnen, die den Abend so bewegend machen. Kieron Jina aus Südafrika erzählt von weißen Männern, die ihm Geld für Sex angeboten haben. Antje Schupp aus Basel meint, dass es auch in der Schweiz Ecken gibt, in denen sie lieber nicht zeigt, dass sie homosexuell ist. Sie trägt zunächst einen angeklebten Schnurrbart, Lederhosen und Hut mit Gamsbart. Dass die Geschlechter hier verschwimmen und Menschen nicht immer in Mann-Frau-Kategorien eingeordnet werden müssen, zeigt sie zusammen mit Kieron Jina in einer Umzieheinlage, in der wild verschiedenste Klamotten an und ausgezogen werden. Am Ende tanzt Schupp mit Umschnalldildo und oben ohne zum Song „Tomboy“. Die Performance ist eben auch ein stolzes und selbstbewusstes Zeigen der eigenen Sexualität.

Einbezug des Publikums

Schön ist an diesem Abend, dass die Zuschauer Teil der Performance werden. Immer wieder bahnen sich die Künstlerinnen ihren Weg durch die Menge, tanzen zusammen, wandern im Raum umher. Als auf das Attentat in Orlando 2016 Bezug genommen wird, bei dem in einem von LGBTI besuchten Club 49 Menschen getötet wurden, wird den Zuschauern Absperrband in die Hand gedrückt, während die Performerin Mbali Mdluli wie leblos auf dem Boden liegt. Betroffen starrt man da auf ihre Kolleginnen, die als Spurensicherer eine weiße Linie um ihren Körper ziehen. Obwohl die Szene nur nachgestellt ist, fühlt sich der Kloß im Hals sehr echt an. Mit einfachen Mitteln wird der Zuschauer so Teil des Geschehens, wird mitgenommen und sensibilisiert, ohne dass das krampfhaft gewollt oder von außen aufgedrückt erscheint.

Schockierend, berührend, wichtig

Am Ende der Performance gibt es zu recht lauten Jubel für die Gruppe um „Pink Money“. In vielen unterschiedlichen Szenen, persönlichen Geschichten und Videoaufnahmen hat „Pink Money“ für mehr Toleranz, Diversität und Selbstbestimmun in einer Welt geworben, in der das freie Ausleben von andersartiger Sexualität und Persönlichkeit leider immer noch nicht selbstverständlich ist. Die Künstler*innen haben mit ihrer bewegenden Show einen so bleibenden Eindruck hinterlassen, dass man als Zuschauer erst einmal einen Moment braucht, bevor man das Harry Klein wieder verlassen kann – um sich einer Welt zu stellen, in der noch viel verändert werden muss.