Sozialdemokratie im freien Fall?

Pasokification: Warum Mitte-Links-Parteien an Einfluss verlieren

/ / Quelle: shutterstock / Stefan Balaz

Mitte-Links-Parteien wie die SPD in Deutschland verlieren immer mehr an Relevanz. Dabei galten sie jahrzehntelang als unerschütterliche politische Kräfte. Dieses Phänomen nennt man auch “Pasokification”. Der Name leitet sich von der griechischen Partei “PASOK” ab, die während der Schuldenkrise von über 40 Prozent der Stimmen auf unter zehn Prozent abstürzte. Aber warum lässt sich dieser Effekt in ganz Europa beobachten und woran liegt das?

Die griechische “PASOK” war bis in die 2010er-Jahre eine der einflussreichsten Parteien in Griechenland. Infolge der Finanz- und Schuldenkrise führten sie harte Sparmaßnahmen durch, wegen denen sie rasant an Wähler:innenstimmen verloren haben. Dieser Niedergang war so drastisch, dass der Parteiname zum Synonym für das wurde, was viele Mitte-Links-Parteien in Europa erleben. Dabei geht es aber nicht nur um die reinen Stimmverluste, sondern auch um strukturelle Veränderungen. So fühlen sich zum Beispiel immer mehr Wähler:innen von Mitte-Links-Parteien entfremdet, während diese Lücke von anderen Parteien gefüllt wird.

Warum ist die “Pasokification” eine europaweites Problem?

Eine ähnliche, wenn auch meistens nicht so drastische Entwicklung, erleben viele Mitte-Links-Parteien in ganz Europa. Egal ob in Frankreich, den Niederlanden, Italien oder den skandinavischen Ländern, die eigentlich Hochburgen der Sozialdemokratie waren. Doch woran liegt das?

Ein gemeinsamer Nenner ist der Vertrauensverlust in die jeweiligen Parteien. So zweifeln viele Wähler:innen daran, dass sozialdemokratische Parteien überhaupt noch ihre Interessen vertreten. Inhaltlich steht dabei die fehlende Bekämpfung von sozialen Ungleichheiten im Fokus. Dabei werfen viele Wähler:innen Mitte-Links-Parteien vor, dass sie sich zu wenig um reale Probleme, wie etwa knappen Wohnraum oder steigende Lebenserhaltungskosten, gekümmert haben. Außerdem leiden sozialdemokratische Parteien mehr als andere an Veränderungen bei der Zusammensetzung der Wähler:innenschaft, wie etwa durch das Wegfallen einer klassischen Arbeiterschicht.

Wie sieht die Lage in Deutschland aus?

Während die SPD im 20. Jahrhundert zu einer der beiden Volksparteien zählte, kann man das im 21. Jahrhundert nicht mehr so eindeutig sagen. Denn seit der Rot-Grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gibt es einen stetigen Abwärtstrend, wobei auch hier sozialpolitische Versagen im Fokus stehen. So hat die SPD unter Schröder mit dem Sozialstaatsabbau durch die Agenda 2010 und den Hartz-Reformen an Vertrauen ihrer Stammwähler:innenschaft verloren. Diese Entwicklung konnte nur kurzzeitig durch den Wahlerfolg 2021 durchbrochen werden, wobei dieser wohl eher auf die Schwäche der Union zurückzuführen ist. Denn nach diesem kurzzeitigen Hoch folgte das historisch schlechteste Wahlergebnis der SPD in der BRD mit 16,4 Prozent.

Mit diesem kurzzeitigen Hoch steht die SPD aber nicht alleine da. So kann man anhand der Labour Partei in Großbritannien derzeit eine ähnliche Entwicklung erkennen. Während sie die letzte Wahl 2024 gewinnen konnten und mit Keir Starmer den Premierminister stellen, liegen sie in aktuellen Umfragen nur auf Platz zwei hinter der rechtspopulistischen Reform UK Partei. Dieser Aufschwung mancher sozialdemokratischer Kräfte in den 2020er-Jahren wird als “Depasokification” bezeichnet, bildet aber die Ausnahme und war anscheinend auch nur von kurzer Dauer.

Welche Parteien profitieren davon?

Deutlichster Profiteur dieser Entwicklung sind in den meisten europäischen Ländern rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte, wie etwa die AfD in Deutschland. So haben diese vor allem bei Arbeiter:innen immer mehr an Relevanz gewonnen. Aber auch der Anteil an Nichtwähler:innen steigt aus Frust mit der SPD. Daneben profitieren auch linke Kräfte, wie etwa Die Linke bei der letzten Bundestagswahl. Dabei spielte vor allem der Fokus auf steigende Wohn- und Lebenshaltungskosten, also genau die Themen, die die SPD vernachlässigt hat, eine wichtige Rolle. Und auch in der aktuellen Regierung konnte sich die SPD bisher nicht mit sozialpolitischen Themen profilieren. So stagniert sie auch in Umfragen weiterhin bei historisch schlechten 15 Prozent.

Ausblick: Sozialdemokratie in Europa

Es steht also europaweit schlecht um sozialdemokratische und Mitte-Links-Parteien, auch wenn sich das Ausmaß der Probleme unterscheidet. Ein gemeinsamer Nenner sind dabei der Vertrauensverlust und die Vernachlässigung von klassisch sozialdemokratischen Themen. Die Lage scheint also recht klar zu sein. Solange sich Mitte-Links-Parteien nicht wieder auf ihre sozialen Kernthemen konzentrieren und diese auch in Regierungsverantwortung tatsächlich durchsetzen, wird es schwer sein, sich das Vertrauen der Wähler:innen zurückzugewinnen.