Filmklassiker der Woche

Memento

/ / Bild: BVI/Helkon

Einleitung, Hauptteil, Schluss – die grundlegende Reihenfolge des Aufbaus einer Geschichte ist bereits in der Grundschule Inhalt der Lehrpläne. In Memento bringt Christopher Nolan die althergebrachte Erzählordnung aus dem Gleichgewicht und sorgt so für einen unvergesslichen Klassiker.

Memento folgt der Geschichte von Leonard Shelby, gespielt von Guy Pearce, auf einer Rachemission. Seit dem Einbruch zweier maskierter Männer, bei dem seine Frau ums Leben kam, leidet er unter anterograder Amnesie – Leonard kann keine neuen Erinnerungen mehr produzieren. Innerhalb weniger Minuten ist alles Geschehene bereits wieder vergessen. Was ihn antreibt, ist die Suche nach dem Mörder seiner Frau.

Der Körper als Notizblock

Um gegen das Vergessen anzukämpfen, sammelt Leonard alle wichtigen Personen, Orte und Informationen auf Polaroid-Bildern, die er mit handschriftlichen Notizen versieht. Die allerwichtigsten Informationen, Hinweise auf den Mörder und Lebensgrundsätze lässt sich Leonard auf den Körper tätowieren.

Leonard (Guy Pearce) sammelt die Hinweise auf den Mörder seiner Frau als Tätowierungen. (Bild: BVI/Helkon)

Damit für die Zuschauer Leonards Zustand deutlicher wird, baut Regisseur Nolan den Film von hinten nach vorne auf: Bereits in der ersten Szene wird gezeigt, wie Leonard seine Rache bekommt, alle weiteren Szenen werden chronologisch rückwärts gezeigt. Gleichzeitig werden abwechselnd Schwarz-Weiß-Szenen gezeigt, in denen Leonard gegenüber einem unbekannten Anrufer seine Amnesie anhand eines Falles in seinem vorherigen Job bei einer Versicherung erklärt. Die treibende Frage des Films ist also nicht, ob Leonard seine Rache bekommt, sondern wie es dazu kommt, und ob er die richtige Person verfolgt hat. Ein auf den ersten Blick verwirrender Dramaturgieaufbau, der aber beim Ansehen des Films schnell verinnerlicht wird und für ein einzigartiges Filmerlebnis sorgt.

Daran hat auch die Schauspielleistung von Guy Pearce gehörigen Anteil. Er verkörpert glaubhaft die Herausforderungen der ständigen Neu-Orientierung in zahlreichen neuen Situationen. In den Rückblenden vor dem Gedächtnisverlust Leonards agiert Pearce hingegen mit vollkommener Kontrolle der Situation, teilweise sogar unsympathisch. Ganz unterschiedlich zu seinem Charakter in der eigentlichen Timeline des Films, aber mindestens genauso überzeugend.

Kein Erfolg bei den Oscars

Zum Erfolg des Films haben auch Carrie-Anne Moss und Joe Pantoliano in den Nebenrollen beigetragen. Nachdem beide im Jahr zuvor in Matrix auf der Leinwand zu sehen waren, mimen die Schauspieler ihre Rollen so überzeugend, dass tatsächlich bis zum Ende des Films nicht klar ist, ob einer von ihnen, oder gar beide, Leonards Zustand für egoistische Zwecke nutzen.

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Bereits der Trailer weist auf die spezielle Machart von Memento hin.

Trotz der bemerkenswerten Schauspielleistungen bleibt das Drehbuch der Star des Films. Dem damals 31-jährigen Nolan und seinem Bruder Jonathan, auf dessen Kurzgeschichte Memento mori der Film basiert, brachte das Skript 2002 die erste Oscar-Nominierung der Karriere ein. Die prestigeträchtige Auszeichnung blieb ihm aber verwehrt. Bis heute konnte sich Nolan den Traum vom Academy Award noch nicht erfüllen.

Vorgeschmack auf weitere Nolan-Filme

Memento sorgte nicht nur für einen nahezu raketenartigen Aufstieg Nolans zum Star-Regisseur, sondern liefert auch einen Einblick in die zukünftigen Filme des Briten. Das Motiv der verstorbenen Ehefrau findet sich beispielsweise auch in The Prestige und Inception wieder. Auch der Einfluss des film noir, der bei Memento stark bemerkbar ist, zeigt sich in nahezu all seinen Werken. Die asynchrone und non-lineare Erzählung sollte in den kommenden Jahren Nolans Erkennungsmerkmal im Mainstream-Kino werden.

Bis heute verbringen Fans des Regisseurs schlaflose Nächte mit Wortgefechten über die Frage, ob Memento der beste Film Nolans sei. Allein die Tatsache, dass es trotz weiterer Filme wie Inception, The Dark Knight oder Dunkirk immer noch Stimmen gibt, die Memento zum besten Nolan küren, zeigt wie einflussreich der Film auch 20 Jahre nach Veröffentlichung ist. Mit Memento setzte sich der Regisseur zu Beginn seiner Karriere eine hohe Messlatte, machte aber auch direkt klar: Er erzählt keine unglaublichen Geschichten, er erzählt Geschichten unglaublich.

Memento gibt’s auf Netflix, Amazon Prime, Sky Go, Sky Ticket, maxdome und Joyn auf Abruf.