DOK.fest München 2021

Doku-Flut at home

/ / Bild: DOK.fest München

Das kulturelle Leben ist on hold, aber immer wieder schaffen es Kulturfeste der aktuellen Situation zu strotzen, um unseren Hunger nach zum Beispiel Filmen zu stillen. Eine Art des Films können wir aktuell wieder von zuhause genießen: Dokumentationen des DOK.fests.

Das DOK.fest findet zum zweiten Mal komplett online statt und auch dieses Jahr übernimmt wieder Daniel Sponsel die Leitung des Münchner Filmfests. Die M94.5 Kinoredaktion durfte sich durch die 131 Filme aus 43 Ländern wühlen. Wir geben euch hier einen Einblick in eine kleine Auswahl der Filme, der unserer Meinung nach einfach nur Lust auf mehr macht!

HINTER DEN SCHLAGZEILEN (DEUTSCHLAND)

Verbrechen aufklären und geheime Informationen veröffentlichen. Das klingt nach Geheimagent:innen und Kinderträumen. Als Investigativ-Journalist:in macht man aber eigentlich nichts anderes als das. Gut, diese Journalist:innen haben keine Lizenz zum Töten und reisen ohne Waffen, aber spannend ist es auf jeden Fall. Einen Einblick in diesen Beruf gibt Daniel Sager. Er ist Dokumentarfilmer und hat Frederik Obermaier und Bastian Obermayer,  zwei SZ Journalisten des Investigativ Ressorts, bei ihrer alltäglichen Arbeit begleitet.

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Trailer zu Hinter den Schlagzeilen

Der diesjährige Eröffnungsfilm des DOK.fest München @home Hinter den Schlagzeilen zeigt eindrucksvoll wie wichtig Whistleblower für den Journalismus sind, wie gefährlich das Aufdecken von Missständen sein kann und wie sich von einer zur nächsten Sekunde neue Möglichkeiten und Stories auftun können. Während der Dreharbeiten bekommen die beiden Journalisten ein Video zugespielt. Eines, dass später als „Ibiza-Video“ von ihnen veröffentlicht wird und Österreich in eine Regierungskriese führt. Wie viel Vorbereitung und schlaflose Nächte auf die Investigativ Redaktion in Vorbereitung auf Tag X der Veröffentlichung warten, das zeigt Sagers Dokumentation detailliert und höchst sensibel. mm

Hinter den Schlagzeilen läuft in der Reihe DOK.international.

LA VOCERA (MEXIKO)

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Trailer zu La Vocera.

Die indigene Bevölkerung in Mexiko leidet seit Jahrhunderten unter Ausbeutung, Unterdrückung und Rassismus. Sie kämpfen um ihren Landbesitz, ihre Kultur und schlichtweg um das Überleben. 2016 wählt der Nationalkongress der indigenen Völker zum ersten Mal eine Sprecherin, die für die Zulassung zur Präsidentschaftswahl antritt: María de Jesús Patricia Martinez oder Marichuy, wie sie von den meisten genannt wird. Die alternative Heilmedizinerin ist charismatisch, aber bescheiden und strahlt Ruhe und Entschlossenheit aus.

Die Dokumentation „La Vocera“ von Luciana Kaplan begleitet die mutige Frau und ihr Team auf ihrem Weg der Kandidatur. In 78 Minuten erzählt sie von den Schwierigkeiten, mit denen die indigenen Völker tagtäglich konfrontiert sind. Der erwachte Kampfgeist und die Bewunderung der Menschen für ihre ernannte Sprecherin Marichuy sind durch die vielen Nahaufnahmen deutlich zu spüren. Es ist der Wunsch nach Autonomie, der sie antreibt und der viele weitere dazu ermutigt, aufzustehen und die Stimme zu heben. kf

La Vocera läuft in den Reihen Dok.horizonte und Dok.fokus Empowerment.

WRITING WITH FIRE (INDIEN)

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Interview mit den Regisseur:innen von Writing With Fire

Journalismus ist die Essenz der Demokratie und oft der einzige Weg zur Gerechtigkeit, sagt Journalistin Meera mit Blick auf ihr Smartphone. Sie hat gerade ein Interview geführt mit der Familie einer Frau, die vergewaltigt und getötet wurde. Die Behörden wissen angeblich von nichts, die Beschwerden seien untergegangen im Papierkram, jemand anders sei schuld. Verbrechen, wie Femizide und Vergewaltigungen bleiben oft ungeahndet. Meera möchte das ändern. Sie ist Teil der Zeitung Khabar Lahariya im indischen Staat Uttar Pradesh, die einzige Zeitung in Indien, die von Dalit-Frauen geführt wird. Die Frauen von Khabar Lahariya verwenden ihr Smartphone, den Druck der Öffentlichkeit, wie eine Waffe gegen das ihnen feindlich gesinnte patriarchale System. Und das obwohl viele von ihnen vorher noch nie ein Smartphone in der Hand hatten.

Regisseur:innen Rintu Thomas and Sushmit Ghosh bleiben ganz nah an der Gegenwart, verlieren dabei allerdings die Hintergründe aus den Augen. Die Gründung von Khabar Lahariya wird beispielsweise kaum thematisiert und der sozialpolitische Kontext der Ereignisse in Indien fehlt. Trotzdem erschaffen Thomas und Ghosh ein intimes Porträt der Frauen und zeigen die professionellen und persönlichen Hindernisse, die ihnen begegnen. Als Dalit, die Bezeichnung für die unterste Kaste der hinduistischen Gesellschaft, werden sie ausgeschlossen. Als arbeitende Frauen werden sie diskriminiert, auch von der eigenen Familie. Meeras Ehemann äußert sich abfällig über die Arbeit seiner Frau, sagt die Zeitung würde sowieso bald scheitern. Nach über 14 Jahren erfolgreichem Journalismus sieht es allerdings nicht so aus, als würde das passieren. Writing with Fire ist eine inspirierende Momentaufnahme unglaublich starker Frauen, die unermüdlich mit Journalismus für ihre Demokratie und Gerechtigkeit kämpfen. jm

Writing With Fire läuft in der Reihe DOK.focus Empowerment.

ARADA (SCHWEIZ)

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Trailer zu Arada.

Die Kamera ruht auf den funkelnden Lichtern der Stadt, auf den ausgestorbenen Gassen kurz nach Sonnenuntergang, auf Feldern und Bergen in der Dämmerung. Die Bilder von Kameramann Simon Denzler fangen stets einen Zwischenzustand ein, und so schön sie auch sind, kommen sie doch nie zur Ruhe. Genauso sind die Protagonist:innen des Films hängen geblieben, irgendwo „dazwischen“ (oder auf türkisch: arada). Die drei Männer, die Regisseur Jonas Schaffter in seinem Langfilm-Debüt portraitiert, sind heimatlos: aufgewachsen in der Schweiz und für viele Jahre dort gelebt, bis sie aufgrund ihrer Straftaten abgeschoben wurden in die Türkei. Das Land ist nicht das ihre, sondern das ihrer Eltern, fremd und doch unausweichlich. Zwar verharmlost Schaffter in keinster Weise die Verbrechen, die den dreien ihre Heimat gekostet haben. Doch gibt er darauf Acht, zuallererst die Menschlichkeit und Verletzlichkeit der Männer zu zeigen, bevor er sich ihren Taten zuwendet. So rückt Arada die allgegenwärtigen psychischen Folgen einer Deportation in den Fokus, die Familien auseinanderreißt und mit einer tiefgreifenden Einsamkeit einhergeht. Das wirft eine Frage auf, die über die Schweiz hinaus heiß diskutiert wird: Sollen Straftäter:innen lediglich bestraft, oder tatsächlich rehabilitiert und in ihre Gesellschaft reintegriert werden? Ein hochpolitisches und zugleich so persönliches Portrait. nc

Arada läuft in der Reihe DOK.Deutsch.

LA PREMIERE MARCHE (FRANKREICH)

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Trailer zu La Premiere Marche.

La Premiére Marche ist der erste Dokumentarfilm der beiden Regisseure Hakim Atoui und Baptiste Etchegaray. In ihm verfolgen sie die Reise einer Gruppe junger Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, 2019 die erste Pride Parade in einem Pariser Vorort zu organisieren. Der Fokus des Filmes wird dafür vor allem auf die vier Studenten Youssef, Yanis, Luca und Annabelle gelegt, die sich während der Vorbereitungen mit allerlei Problemen rumschlagen müssen. Dabei scheinen sie nicht nur mit den Fragen nach Security und Finanzierung konfrontiert zu sein, sondern müssen sich auch ignoranten Medienvertretern und Drohungen extremistischer Bewegungen stellen.

Die Dokumentation hängt sich bei der Darstellung der Vorbereitung nicht an den Fakten auf. Es geht nicht darum, wie viel Geld wofür verwendet wird und mit welchen genauen Zahlen die Parade geplant wird. Vielmehr geht es darum, die Stimmung einzufangen. Sowohl die der Anwohner als auch der Organisatoren selbst. So zeigt der Film lieber die Gespräche, die in der eigentlichen Zigarettenpause entstehen oder hitzige Diskussionen im WG-Zimmer. Er vermittelt ein Gefühl der Zuversicht, des Tatendrangs und einer jungen Generation, die sich engagiert.

Die beteiligten Menschen sprechen auch anhand eigener Erfahrungen viele Themen wie Feindlichkeit und Toleranz gegenüber der LGBTQ+ Community an und setzen sich auch tiefer gehend mit dem Thema des Homonationalismus auseinander. Dabei wird aber nicht nur auf eine Meinung eingegangen, sondern die dargestellten Personen widersprechen sich auch gegenseitig in einigen Momenten und streben bewusst offene Diskussionen an. So wird kein Einheitsbrei vermittelt, sondern vielmehr einfach verschiedene Aussagen gegenübergestellt, die dem Betrachter die Möglichkeit geben, sich mit den Themen auseinandersetzen.  Für Zuschauer, die allerdings nicht bereit sind, notfalls auch noch mal den einen oder anderen Begriff nachzugoogeln, um die Zusammenhänge zu verstehen, kann das allerdings auch ganz schön verwirrend werden. vl

La Premiere Marche läuft in der Reihe DOK.focus Empowerment.

LAND (DEUTSCHLAND)

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Trailer zu Land.

Land im gleichnamigen Film von Dokumentarfilmer Timo Großpietsch hat nichts mit romantisierten Assoziationen von blühenden Apfelbäumen und wogenden Feldern im Wind zu tun. Das Land, das den Zuschauenden in langen, symmetrischen Einstellungen gezeigt wird, ist ein visuell kalter, funktionaler Raum – vielleicht aus einem Sci-Fi-Film. Ein Ort, der zur Maschine geworden ist. Und diese Maschine, die das zeitgenössische Leben erzeugt – von Essen und Strom bis hin zu Balkonblumen – macht sich das Lebende gleichzeitig untertan.  

Timo Grosspietsch nimmt gekonnt eine künstlerische Dekonstruktion eines Ortes vor, der den meisten abhandengekommen ist, dessen eigentliches Wesen sich jedoch lange hinter alten Erzählungen „vom Land“ verstecken ließ. Eine gesellschaftliche Disassoziation wird provoziert, eine Verfremdung, die sich nicht mehr ins eigene Leben einweben lässt. Zusätzlich noch verstärkt durch den gelungenen und unheimlichen Soundtrack des Jazzpianisten der NDR-Bigband, Vladyslav Sendecki. Ein nachdenklich machender Film, der uns eine reduzierte, aber wichtige Perspektive auf die Gegenwart liefert. as

Land läuft in der Reihe DOK.international.

THE LAST HILLBILLY (FRANKREICH)

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Trailer zu The Last Hillbilly.

„Hillbillys“ – das seien ungebildete, rassistische, waffengeile Hinterwäldler die im Zweifel auch noch Trump an die Macht gebracht haben, so einfach und so unfair ist das typische Klischeebild. Dass wie so oft mehr hinter Stereotypen steckt zeigt die Doku „The Last Hillbilly“. Sie spielt in einer abgelegenen Region in den Appalachen in Kentucky. Die einstige Bergbaugegend ist mittlerweile wirtschaftlich und sozial am Ende. Was bleibt ist Brian „The Last Hillbilly“ und seine Familie.

The Last Hillbilly lässt seine Protagonist:innnen ohne große Kommentare selbst ihren Alltag und ihre Welt beschreiben. Das funktioniert wirklich großartig. Denn zum einen sind da die Kinder, die überraschend erwachsen über ihre Träume und Hoffnungen sprechen nur um sich dann auf die skurrilste Art die Zeit vertreiben. Und dann ist da auch noch Brian selbst, der durch seine düster traurigen Ausblicke auf das Leben in der Region eine ganz eigene Lyrik in die Doku bringt. The Last Hillbilly liefert also eine gefühlvolle und ausgewogene Bild über eine Region die sonst nur selten im Fokus steht. tf

The Last Hillbilly läuft in der Reihe DOK.international.

LA CONQUISTA DE LAS RUINAS (ARGENTINIEN, BOLIVIEN)

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Trailer zu La Conquista De Las Ruinas.

La conquista de las ruinas beschäftigt sich mit den Folgen einer sich immer weiter ausbreitenden Großstadt. Hierbei kommen unterschiedliche Interviewpartner zur Sprache. Egal ob Steinbrucharbeiter, Security eines Wohnkomplex oder Paläontologe; die unterschiedlichen (stets männlichen) Protagonisten schildern ihre ganz eigene Sicht auf das Leben in der Stadt und thematisieren dabei immer auch die Probleme des massiven Ausbaus. Sei es der Raubbau an der Natur, die immer weitere Abgrenzung der Oberschichten in gated communities oder die unfaire Behandlung der Ureinwohner.

Das geschieht alles ohne einen echten Erzählstrang. Die Interviews wirken aneinander gewürfelt und schaffen es so auch nicht wirklich Interesse zu wecken. Klar natürlich ist es ganz nett etwas über Dinosaurierknochen in der Region zu erfahren oder was ein Bauarbeiter so fühlt, wenn er dann mal ein Gebäude fertig gebaut hat, aber mehr ist das halt dann auch nicht. Das ist wirklich schade denn die Doku kann auf visueller Ebene wirklich einiges. Die großartigen schwarz-weiß Bilder von Bergbau, Gebirge oder der Stadt selbst sehen wirklich beindruckend aus und sind dazu noch packend musikalisch untermalt. Leider kann la conquista de las ruinas aber nur auf dieser Ebene wirklich überzeugen. tf

La Conquista De Las Ruinas läuft in der Reihe DOK.horizonte.

Das DOK.fest 2021 läuft noch bis zu 23. Mai und bietet neben zahlreichen weiteren Filmen auch Filmgespräche oder offene Räume, die Platz für Diskussion bieten.