Filmkritik

Die wundersame Welt des Louis Wain

/ / Bild: Studiocanal GmbH / Jaap Buitendijk/ Der Maler Louis Wain (Benedict Cumberbatch) mit seiner Ehefrau Emily (Claire Foy)

Louis Wain war ein Künstler, dessen Katzenbilder ihn weltberühmt machten und der trotzdem in Vergessenheit geriet. Will Sharpe erweckt ihn in seinem Biopic Die wundersame Welt des Louis Wain neu zum Leben (Achtung, Spoiler im Text).

Katzen sind süß und heute als Haustiere sehr beliebt. Das war allerdings nicht immer so. Ende des 19. Jahrhunderts etwa galten sie vor allem noch als Nutztiere, die zum Mäusefangen eingesetzt wurden. Erst mit Louis Wain, der begann Katzen in ihrer Verspieltheit zu zeichnen, änderte sich der Blick auf diese Tiere nachhaltig. 

Fünf Schwestern und eine Gouvernante

Louis Wain (Benedict Cumberbatch) lebt während des viktorianischen Zeitalters in Großbritannien, in einem Haus zusammen mit seinen fünf Schwestern und seiner Mutter. Nach dem Tod seines Vaters muss er finanziell für die gesamte Familie aufkommen, was nicht immer leicht ist. Besonders seine Schwester Caroline (Andrea Riseborough) macht ihm gehörigen Druck. Um ein Einkommen zu gewährleisten, nimmt Wain einen Job als Illustrator bei der Illustrated London News an. Sein enormes Talent zeigt sich unter anderem darin, dass er mit beiden Händen gleichzeitig zeichnen kann und in sekundenschnelle akkurat Szenen aufs Papier bringt. Diese Gabe erkennt auch der Redakteur Sir William Ingram (Toby Jones), der im Laufe der Zeit zu einem Freund und Unterstützer von Wain werden wird.

Sein Leben verändert sich, als die zehn Jahre ältere Gouvernante Emily Richardsen (Claire Foy) ins Haus der Familie kommt. Wain verliebt sich in sie und heiratet sie – trotz des Widerstandes, das dem Paar aufgrund des Alters- und Standesunterschieds entgegengebracht wird. Emily bringt Ruhe und Glück in Wains Leben. Sie ziehen in ein kleines Haus und nehmen eine ihnen zugelaufene Katze als Haustier auf. Daraufhin beginnt Wain Katzen zu malen. Doch das Glück währt nicht lange, denn Emily stirbt an Brustkrebs. Fortan muss Louis mit diesem tiefgreifenden Verlust fertig werden. Dieser ist gleichzeitig aber auch der Startschuss für ein exzessives Malen von vermenschlichten Katzen in allen Lebenslagen.

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Trailer zu Die wundersame Welt des Louis Wain, der im Original The Electrical Life of Louis Wain heißt.

Exzentrik und Elektrizität

Benedict Cumberbatch beweist in Will Sharpes Film einmal mehr seine Wandelbarkeit. Gerade noch war er als harter und ungehobelter, versteckt homosexueller Cowboy in The Power of the Dog zu sehen. Im Kontrast dazu gibt er hier den Künstler von Anfang an liebevoll verschroben, exzentrisch und sensibel. Ein Einzelgänger, der den Kopf voller kreativer und eigenwilliger Ideen hat und neben dem Zeichnen vor allem von Elektrizität fasziniert ist. Diese spürt er als Stimmung im Raum, als Verbindung zwischen allem und sie wird im Film unter anderem durch die Prismafarben eines aufgeteilten Lichtstrahls dargestellt.

Zusammen mit Claire Foy ergibt sich eine wunderbare Chemie zwischen den beiden Darsteller:innen. Allein ihr Kennenlernen ist herzerwärmend anzuschauen: Beide sind auf ihre eigene Art besonders und finden im Anderen eine liebevolle Weggefährt:in. 

Mit seiner Frau Emily findet Louis sein persönliches Paradies. Bild: Studiocanal GmbH / Jaap Buitendijk

Doch Wains Leben ist auch von Schwierigkeiten geprägt. Seine jüngste Schwester leidet an Schizophrenie und auch Louis’ mentale Gesundheit ist fragil und verschlechtert sich nach Emilys Tod zusehends. Diese Veränderung ist auch in seinen Bildern zu sehen. Die Katzen, die zu Beginn noch jegliche menschliche Tätigkeit wie Fahrrad fahren, in einer Bar sitzen, Golf spielen etc. ausgeführt haben, werden immer abstrakter, die Farben intensiver, die Muster fast psychedelisch. Der Film versucht vor allem zum Ende hin Wains Innensicht durch die Darstellung dieser Muster und Farben erfahrbar zu machen. Dabei geht er trotzdem behutsam mit dem Thema mentale Gesundheit um.

Ein verfilmtes Gemälde

Das Besondere an diesem Film ist auch sein Spiel mit Farben. Zum einen werden verschiedene Settings mit unterschiedlichen Farben ausgestattet, um etwas über die Umgebung, aber auch Wains Gemütszustand zu transportieren. So ist das Haus der Wains zu Beginn eher in Rot, Orange und Gelb gehalten. Das Haus, in das Louis und Emily nach der Hochzeit ziehen, wird von Blautönen dominiert, was deutlich mehr Ruhe und Frieden ausstrahlt.

Zum anderen setzt Sharpe eine Technik ein, in der er die Farben und Umrisse eines realistischen Szenenbilds langsam in eine künstlerisch verwischte Kolorierung übergehen lässt, sodass es selbst zu einem Gemälde wird. Und gegen Ende flimmern intensiv leuchtende, sich drehende psychedelische Muster und Formen über die Leinwand, die Wains Sichtweise verdeutlichen.

Benedict Cumberbatch beweist in diesem Film einmal mehr seine große Wandelbarkeit. Bild: Studiocanal GmbH / Jaap Buitendijk

Insgesamt ist Die wundersame Welt des Louis Wain, die das gesamte Leben des Künstlers bis ins hohe Alter abbildet, kein trockenes Biopic. Im Gegenteil. Es ist humorvoll, leichtfüßig und herzerwärmend erzählt, mit dem richtigen Gespür für traurige, schwierige und verzweifelte Momente. Wem der Künstler davor unbekannt war, der wird sich spätestens nach diesem verspielten, schillernden und sehr schön erzählten Film an ihn und seine Katzen erinnern.

Die wundersame Welt des Louis Wain hatte seine Premiere bereits 2021 auf dem Toronto Film Festival und läuft jetzt seit dem 21. April in den deutschen Kinos.