M94.5 Filmkritik

Der Mann, der Weihnachten erfand

/ / © BAH HUMBUG FILMS INC.

Glaubt man dem neuen Kinofilm, hat Charles Dickens Weihnachten „erfunden“.

Vom leeren Blatt zum Bestseller

Es ist schon ein Fluch, auf Knopfdruck kreativ sein zu müssen. Diese leidvolle Erfahrung teilen sich nicht nur zahlreiche Hausarbeitenschreiber, auch der berühmte englische Schriftsteller Charles Dickens war nicht davor gefeit. Im Film Der Mann, der Weihnachten erfand sitzt der 31-Jährige Tag für Tag vor seinem leeren Zettel und hat eine Schreibblockade. Dabei braucht er so dringend ein neues, erfolgreiches Manuskript: Der ausschweifende Lebemann lässt auf Pump sein Haus renovieren und wenn bis Weihnachten kein Geld in die Familienkasse kommt, schaut es schlecht für die sechsköpfige Familie Dickens aus. Verbittert und schlecht gelaunt läuft der Schriftsteller daher durch das viktorianische London. Ihm begegnen dunkle Gestalten und unangenehme Personen – und da ist sie: Die Idee. Sein nächstes Werk wird eine Weihnachtsgeschichte. Eine Geschichte, die einmal als A Christmas Carol weltweit Leser begeistern wird.

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Klassische Weihnachtsstimmung im Trailer für Der Mann, der Weihnachten erfand

Weihnachtlicher Kostümfilm

Der Mann, der Weihnachten erfand basiert auf einem gleichnamigen Roman von Les Standiford. Darin gibt der Autor einen gut recherchierten Einblick in den damaligen knapp sechswöchigen Schreibprozess des jungen Literaten. Bei der Adaption war es den Filmschaffenden nun wichtig, der historischen Realität Dickens’ so nahe wie möglich zu kommen. Beispielsweise verzichteten sie soweit wie möglich auf Special-Effects: Der Film werde schließlich vom Standpunkt des Schriftstellers aus erzählt und der habe ja wohl noch nie einen solchen Effekt gesehen, so Regisseur Bharat Nalluri. Schön wäre es dennoch gewesen, dem Zuschauer noch mehr Eigenheiten des Lebens anno 1843 vor Augen zu führen.

Spaß für die ganze Familie?

Das Setting des Films von Nalluri im düsteren London des 19. Jahrhunderts macht optisch einiges her: Festliche Kostüme, stimmungsvolle Filmmusik, Kerzenschein, dunkle Ecken, weihnachtliche Farben. All das stimmt einen auf die syrreal-verzauberte Stimmung der Christmas Carol ein. Der Film erzählt nämlich nicht nur, wie das Werk entstanden ist, sondern flicht im Schreibprozess des Autors auch die entstehende Handlung des neuen Buchs mit ein. Dies geschieht durch den ‚Kunstgriff‘, dass die Protagonisten des neuen Buchs Dickens während des Schreibens über die Schulter schauen, kommentieren, kritisieren und ihm (und dem Zuschauer) zuweilen ganz schön auf die Nerven gehen.

Hieran offenbart sich einer der größten Schwachpunkte des Films: Die Zielgruppe. Es bleibt unklar, ob sich der Film an ein Kinderpublikum richtet, das sich über solche klamaukhaften Buchgeister amüsieren kann, oder an erwachsene Rezipienten, welche von der Rahmenhandlung angesprochen werden (interessant ist beispielsweise die Aufarbeitung von Dickens schwieriger Kindheit), aber von den imaginären Buchcharakteren gelangweilt, gar aus der Geschichte gerissen werden. Durch diese Dualität zerfällt der Film stilistisch in zwei Teile, anstatt zum Familienfilm zu werden.

Hochkarätiger Cast

Neben Dickens und seiner Arbeit am Roman lockern Nebencharaktere mit jeweils eigenen kleinen Geschichten die Handlung auf. Leider fügen sich die verschiedenen Handlungsstränge jedoch nicht zu einem harmonischen Ganzen, obwohl sich die hochkarätig besetzten Schauspieler alle Mühe geben. Da geistert etwa ein recht lebensunfähiger Vater (gespielt von Jonathan Pryce, der in dieser Vaterrolle stark an ebensolche in Fluch der Karibik erinnert) durch das Familienhaus, der Dickens auf dem Geldbeutel liegt und das Leben schwer macht. Eine andere, recht plakative, Nebenrolle ist eine Bedienstete mit reinem Herzen, die als Waise aufwuchs und Dickens mit ihren Rehaugen bittet, doch Milde mit seinen Buchfiguren walten zu lassen. Auch Dickens selbst, gespielt von Dan Stevens, bleibt oberflächlich. Er erscheint als wohltätiger Verschwender mit Stimmungsschwankungen, mit dem sich der Zuschauer nur phasenweise identifizieren kann. Die Komik, die den ganzen Film durchzieht, mag nicht recht zünden, vielmehr fehlt den Szenen dadurch ihr Tiefgang.

Worum ging es nochmal…

Vor einem Kinobesuch lohnt es sich, sein Wissen über A Christmas Carol noch einmal mit einem Blick ins Buch aufzufrischen. Sonst wird sich ein Zuschauer, der die Handlung nicht mehr parat hat, mit den stark zusammengefassten Kurzszenen, die im Film den Inhalt des neuen Buchs verdeutlichen sollen, recht schwer tun. Insgesamt schöpft Der Mann, der Weihnachten erfand sein Potential nicht aus, da er einen Spagat zwischen verschiedenen Zielgruppen versucht und scheitert. Eine nette Einstimmung auf die besinnliche Zeit und den eigentlichen Geist der Weihnacht bietet der Film dennoch.

„Der Mann, der Weihnachten erfand“ läuft ab dem 22. November 2018 in den deutschen Kinos.