Kommentar

Unbezahlte Praktika – Selbstverständlich oder Privileg?

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Verschiedene Arten von Praktika sollen dazu dienen, sich in der Berufswelt zu orientieren und erste Qualifikationen zu erlangen. Oftmals sind diese aber schlecht bis gar nicht bezahlt. Leonore Kvech findet, dass Unternehmen Praktikant:innen damit häufig ausnutzen und soziale Ungleichheit gefördert wird.

Für den weiteren Bildungsweg nach der Schule ist das Absolvieren von Praktika ziemlich selbstverständlich: Sie machen sich gut im Lebenslauf und sind oftmals sogar Voraussetzung, um ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen. Drei bis Sechs Monate, Vollzeit, unbezahlt – wer kann sich das denn leisten? Trotz Regelungen zum Mindestlohn sind die Möglichkeiten, diesen zu umgehen, immer noch viel zu groß.  

Praktika verursachen hohe Kosten

Wohl keine durchschnittlichen Schüler:innen oder Studierende können sich auf lange Zeit unbezahltes Arbeiten leisten. Eine Studie des Europäischen Jugendforums stellt fest, dass ein unbezahltes Praktikum für junge Menschen durchschnittlich 1000 Euro im Monat an Kosten verursacht. Dabei wird gerade von diesen aufstrebenden jungen Menschen erwartet, dass sie möglichst viel Erfahrung in den neuen Job mitbringen. Stattdessen profitieren Unternehmen davon, dass sie dank arbeitsrechtlicher Regelungen Praktikant:innen nicht fair bezahlen müssen.  

Denn Pflichtpraktika, die im Rahmen des Studiums oder der Schule erfolgen, sowie freiwillige Praktika unter drei Monaten, die zur Berufsorientierung dienen, müssen nämlich gar nicht entlohnt werden. Und von Mindestlohn ist dann sowieso keine Rede mehr.  

Das bedeutet: Ohne Unterstützung der Eltern oder einem weiteren Job neben dem Vollzeitpraktikum, ist es so gut wie unmöglich, mit diesem Gehalt zu überleben.  

Hohe Voraussetzungen für wenig Lohn

Da Plätze aber begehrt sind, ist es Unternehmen möglich, überqualifizierten Praktikant:innen ein geringes Gehalt zu bezahlen und hohe Erwartungen an die Bewerber:innen zu stellen. Anforderungen an Bewerber:innen beinhalten etwa ein schon abgeschlossenes Studium, praktische Erfahrungen, hohe Flexibilität, Belastbarkeit, Interesse, Selbstständigkeit, Engagement, Eigeninitiative … Am besten haben die Kandidat:innen auch noch reiche Eltern, die sie finanziell unterstützen und Kontakte spielen lassen können.  

Denn – sind wir mal ehrlich – die sozioökonomische Stellung beeinflusst, ob sich junge Menschen ein unbezahltes Praktikum leisten können. Die soziale Ungleichheit zwischen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund verstärkt sich dadurch nur noch mehr.  

Praktika verstärken soziale Ungleichheit

Praktika bieten viele Chancen, sich weiterzubilden, Erfahrungen zu sammeln und in verschiedene Arbeitsplätze hineinzuschnuppern. Letztendlich benachteiligen aber die hohen Anforderungen und die häufig unangemessene Entlohnung finanziell und sozial Schwächere, die somit nicht die gleichen Chancen auf einen Praktikumsplatz und folglich auf einen guten Start in die Arbeitswelt haben. Praktika zu absolvieren, wird in der Arbeitswelt als selbstverständlich erachtet – wird aber zunehmend zum Privileg. 

Kommentar von Leonore Kvech