Kommentar

“Fansein kann etwas Fundamentalistisches haben!”

/ / Bild: M94.5 / Vroni Kallinger

Lionel Messi und Cristiano Ronaldo – das sind DIE zwei Ausnahmefußballer ihrer Generation. Sie gehören ohne Frage zu den besten, die es jemals in diesem Sport gab. Beide begeistern seit vielen Jahren ihre Fans mit grandiosen Leistungen auf dem Platz. Was dabei in den Hintergrund rückt, sind die Geschehnisse, die sich Messi und Ronaldo neben dem Platz leisten – auch als Personen der Öffentlichkeit für ihre Fans. Für David Schmidhuber kann solch ein Verhalten in der Gesellschaft nicht geduldet werden. 

Identifikation mit Ronaldo und Messi? Nein danke!

Cristiano Ronaldo und Lionel Messi vereinen Millionen von Fans hinter sich. Dadurch sind sie gleichzeitig auch Identifikationsfiguren, gar Vorbilder, für viele Menschen. Doch ihr Verhalten abseits des Platzes lässt daran zweifeln, ob sie sich dieser Verantwortung bewusst sind. Denn Identifikation heißt auch, die Aktionen eines Sportlers oder einer Sportlerin sowohl auf als auch neben dem Spielfeld zu bewerten und anhand dessen zu entscheiden, ob man zu der Person aufschauen kann. Der Sportler Dirk Nowitzki zeigt beispielhaft, was es heißen kann, sich seiner Rolle überall bewusst zu sein. Einer, der immer am Boden geblieben zu sein scheint und nie vergessen hat, wo er herkommt und seinen Beruf als ein großes Geschenk und nicht als selbstverständlich sieht. Solche Sportler:innen mit dieser Auffassung ihres Berufs werden allerdings immer seltener. Diese Haltung steht für etwas, das Lionel Messi und Cristiano Ronaldo gerne zu verkörpern versuchen, aber in der Realität überhaupt nicht tun. Dokumente über Steuerhinterziehung und dubiose Machenschaften der Enthüllungsplattform Football Leaks, die in Zusammenarbeit mit unter anderem dem Spiegel in den letzten Jahren öffentlich wurde, zeigen dies deutlich. Beide Spieler haben sich Vergehen zuschulden kommen lassen, die unentschuldbar sind und eine große Frage aufwerfen: Wie kann ich mich mit Sportler:innen identifizieren, wenn sie außerhalb des Sportes kriminelle Dinge tun und diese dann nicht einmal eingestehen und dafür geradestehen? Viele Menschen können so hinters Licht geführt werden, ohne eigentlich wirklich über ihren Liebling Bescheid zu wissen.

Der großherzige argentinische Stifter

Lionel Messi, der gleich zwei Stiftungen unter seinem Namen vereint und dessen Geld vor allem an benachteiligte Kinder gehen soll, will Großherzigkeit nach außen demonstrieren. Dabei hat die spanische Stiftung über mehrere Jahre Steuervorteile beansprucht, obwohl sie noch nicht final registriert war. Wegen dem Ausstellen von Spendenbescheinigungen musste Messi 2016 knapp 12 Millionen Euro ans Finanzamt nachzahlen. Denn die Finanzbehörden waren der Meinung, dass Messi das Geld der Stiftung als Teil seines Einkommens hätte versteuern müssen. Kürzer gesagt: Die Stiftung scheint für Messi nur ein Vorwand für Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu sein. Lieber das Geld doch in den eigenen Reihen halten und trotzdem die gute Außenwirkung seines sozialen Engagements behalten, wenn man beides haben kann, warum nicht?! Messis zweite Stiftung – Leo Messi Argentina – ist nicht unbedingt besser: Messi stammt aus der argentinischen Stadt Rosario. Dort wurde vor einigen Jahren unter anderem ein Projekt der Stiftung für die frühere Grundschule Messis medial inszeniert. Wer jetzt annimmt, Messi wolle mit seiner Stiftung der heruntergekommenen Schule finanzielle Mittel zur Sanierung zur Verfügung stellen, wird eines Besseren belehrt. Es passierte nichts – außer, dass ein Messi-Porträtbild auf dem Innenhof der Schule gezeichnet wurde. Der Ausnahmefußballer und einst kleine argentinische Junge, der in Armut aufwuchs, sollte es eigentlich besser wissen und verstehen, was notwendig wäre, um die Situation der Kinder zu verbessern. An vorderster Stelle scheint aber dann doch das Image zu stehen und weniger die Hilfe in Not. 

Der portugiesische Saubermann

Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Cristiano Ronaldo und seiner Image-Bildung. Auch er hat beim Thema Steuern alles andere als eine weiße Weste. 2016 wurde ihm systematische Steuerhinterziehung nachgewiesen, zwei Jahre später zahlte er fast 20 Millionen Euro nach. Hinzu kommt: 2009 wechselt der Portugiese zu Real Madrid. Im Sommer kurz nach der Verpflichtung war er in Los Angeles. Dort soll er das amerikanische Model Kathryn Mayorga vergewaltigt haben. Die Anschuldigungen sind bis heute nicht aufgeklärt, weil sich die Situation nicht zu 100 Prozent genau rekonstruieren lässt und weil es keine Videoaufnahmen davon gibt. Aber vieles weist auf ein sexuelles Vergehen hin: Einerseits eine Zahlung von fast 400 000 Dollar an Mayorga, die sie zum Schweigen verpflichtet haben soll, andererseits ein von Ronaldo ausgefüllter Fragebogen, auf dem er einmal das Delikt zugibt und einmal nicht. Das Verfahren gegen Ronaldo dauert bis heute an.

Große Sportler:innen müssen genauso beurteilt werden wie jeder andere!

Das Traurige an all diesen Vergehen der beiden Ausnahmefußballer: Das sind alles keine einmaligen Ausrutscher! Doch so groß und erschütternd diese Vorfälle sind, so schnell scheinen sie in der Wahrnehmung der Fußballgrößen nach außen schon wieder kein Thema mehr zu sein. Lionel Messi und Cristiano Ronaldo sind nur zwei Beispiele dafür, wie Sporthelden geschaffen werden, deren Leben in Verantwortung für die Gesellschaft außerhalb des Sports häufig übersehen wird. Und es zeigt, dass Fansein auch etwas Fundamentalistisches haben kann. Etwas, bei dem grundlegende Werte eine weniger große Rolle spielen. Und das sollte es nicht. Denn auch große Sportler:innen sind immer noch Menschen wie wir alle und auch sie sollten genauso beurteilt werden, rechtlich wie menschlich.