Filmfest 2022

Proyecto Fantasma

/ / Bild: Filmfest München

Real, Relatable, Geist? – Der Regisseur Roberto Doveris malt mit seinem zweiten Spielfilm Proyecto Fantasma ein real wirkendes komisches Porträt der jungen kreativen Community in Chile. Irgendwo zwischen Freundschaft, Beziehungen und sozialen Medien.

Ein paar Pflanzen, eine Hündin namens Sally und ein Pullover, in dem ein Geist steckt – Das hinterlässt Pablos Untermieter statt den letzten zwei Monatsmieten. Er ist verzweifelt und hält sich mit Stand-ins bei Familienaufstellungen und als Übungspatient für Medizinstudenten gerade so über Wasser. Dazu hängt er immer noch seinem YouTuber-Ex-Freund hinterher. Immerhin kann er sich dessen Video anschauen, in dem erklärt wird, ob es eine gute Idee ist, wieder was mit seinem Ex anzufangen.

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Trailer zu Proyecto Fantasma

Bildschirm über Bildschirm über Bildschirm

Ob Handy, Laptop, Fernseher oder Kamera – In Proyecto Fantasma ist die ganze digitale Bandbreite vertreten. Der Film setzt sich bewusst mit der Welt zwischen Internet und der Intimität von Vorstadt-Beziehungen auseinander und integriert dafür Videos, Filme, Videospiele und sogar einen funktionierenden QR-Code. Er zeigt auf natürliche Weise, wie das Digitale unsere reale Welt beherrscht. Wenn zum Beispiel einer der Darstellenden am Handy etwas anschaut fühlt es sich als Zuschauer:in fast so an als würde man sich selbst von oben herab zuschauen. Das lässt einen seinen eigenen Medienkonsum zwischendurch überdenken.

Sex mit einem Geist

Proyecto Phantasma ist gleichzeitig komplett alltäglich und komplett absurd. Es wird über Misogynie, Chiles Gesundheitssystem, Geld und Stars geredet. Als Zuschauer:in entsteht das Gefühl sich selbst und seinen Freund:innen beim Reden zuzuschauen. Nur das Thema Geist-Sex fällt dann doch ein bisschen raus.

“Maybe the ghost also wanted oral sex.” “The ghost can’t be a woman? You are so misogynist lately, girl.” “Misogyny is trying to impose a gender on a fucking ghost.”

Szene aus Proyecto Fantasma

Tatsächlich erscheint der Geist gender-ungebunden als eine mit wenigen weißen Strichen gezeichnete menschliche Figur, die ständig die Form verändert, und ist damit mehr mysteriös als gruselig.

Darstellung des Geistes in Proyecto Fantasma/Bild: Filmfest München

Neben dem paranormalen Geist brillieren die erfrischend normalen und gleichzeitig vielfältigen Schauspieler:innen durch ihre Unauffälligkeit. So gelingt es dem Regisseur trotz Geist, den Alltag von Chiles Kreativ-Community überzeugend darzustellen. Auf elegante Weise integriert Roberto Doveris so also die gespenstische Zeit der Pandemie in seinen Film, ohne das Thema konkret zu nennen. Real, komisch, relatable – Proyecto Fantasma kommt einem trotz Geist weniger fake vor als so manche Instagramstory und macht Spaß beim Anschauen. Ein Bonus des Films: Die ansonsten schwere Entscheidung zwischen Make-up-Tutorial oder Film anschauen wird einem abgenommen, denn hier gibt es beides.

Proyecto Fantasma läuft in der Reihe International Independents auf dem Filmfest München. Ihr könnt den Film noch am 2.7 um 17:00 Uhr im Filmmuseum anschauen.