Marketa Lazarova Titel

Filmklassiker der Woche

Marketa Lazarová

/ / Bild: Bildstörung

Die Mittelalterfilme – das sind epische Schlachten, glorreiche Heerführer und wunderschöne Prinzen und Prinzessinnen – so zumindest die typischen Klischees. Diese sucht man im Film Marketa Lazarová aus dem Jahre 1967 aber vergebens. Das Epos von Frantisek Vlácil wurde 1998 in einer Umfrage von tschechoslowakischen Filmkritikern zum besten tschechischen Film aller Zeiten gewählt und besticht mit einer ganz eigenen Darstellung des Mittelalters.

“Einmal im Mittelalter leben”- ein Wunsch, den man beim Schauen von Marketa Lazarová nie bekommen wird. Es gibt kaum einen Film, der diese Zeit so realistisch darstellt. In diesem Film gibt es keine heroischen Gestalten, keine Ehre, keine Tugend. Mit Ausnahme der titelgebenden Marketa Lazarová sucht man hier vergeblich nach positiven Charakteren. Das Leben zu dieser Zeit ist ein einziger Überlebenskampf, die Elemente sind dem Menschen feindlich, die Tierwelt ist keine Attraktion, sondern reine Gefahr und genug Nahrung, um entspannt den Winter zu überstehen, gibt es fast nie.

Homo homini Lupus – aber in diesem Fall sind die Wölfe das Problem. (Bild: Bildstörung)

Von diesen Problemen ist auch der Familienklan der Kozlíks nicht gefeit. Um über die Runden zu kommen, rauben die Mitglieder immer wieder reiche Durchreisende aus und nehmen sie als Geiseln. Die Söhne des Klanführers, Mikoláš und Adam, tun genau dies am Anfang des Filmes. Doch handelt es sich bei einem ihrer Opfer um den designierten Bischof der Stadt Hennau in Sachsen, wodurch die Armee des Kaisers auf den Plan gerufen wird – mit dem Ziel, die störenden Raubritter um den Familenklan ein für allemal auszulöschen. Nikolas sucht daraufhin nach Verbündeten und hofft, den benachbarten Klan der Lazars als Partner zu gewinnen. Da er von den Lazars aber nichts als eine Tracht Prügel bekommt, rächt er sich, indem er die wunderschöne Tochter des Klanchefs, Marketa Lazarovà, entführt.

Bild und Gewalt

Es ist unglaublich, wie gut dieser Film aussieht, gerade auch weil es ihn mittlerweile in einer komplett restaurierten Fassung zu sehen gibt. Nicht nur sind die Bilder immer wieder durch Symbolik und Bildkomposition mythisch aufgeladen. Vor allem die vielen Szenen, die im kargen tschechischen Winter spielen, werden durch die schwarz-weiß Optik perfekt ausgemalt. Dazu kommt die hervorragende schauspielerische Leistung von Josef Kemr als Kozlík, der Anführer des Stammes, sowie von František Velecký als dessen Sohn Mikoláš.

Kozlík – ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit (Bild: Bildstärung)

Josef Kemr spielt den Patriarchen Kozlík großartig. Er ist einfach nur furchteinflößend, nach außen absoluter Choleriker, doch im Inneren auch extrem klug und listig. Diesen Charakter kauft man Josef Kemr direkt ab. Sein Sohn Mikoláš wirkt durch seine starren, unergründlichen Blicke einfach nur mysteriös. Sie verstärken noch einmal seinen dualistischen Charakter. Irgendwie sympathisiert man mit ihm, obwohl er es ist, der Marketa entführt hat.

Sound und Sounddesign

Neben den Bildern sind es vor allem Musik, Sounddesign und Sprache, die überzeugen. Die Filmmusik von Zdeněk Liška passt perfekt. Der tschechische Komponist wurde nach Marketa Lazarová zu so etwas wie dem Hauskomponisten des tschechischen Kinos. In seinem Score arbeitet er mit mittelalterlichen Chorälen und allerlei Bombast, was bei einigen Szenen wirklich Gänsehaut erzeugt. Die Musik drängt sich dabei nie zu sehr auf, gibt aber doch immer Ton und Stimmung vor. Daneben hat Marketa Lazarová ein besonders experimentelles Sounddesign. Bei nahen Einstellungen klingt der Ton manchmal unnatürlich verzerrt, während bei Bildern in der Totalen Gespräche immer wieder wie direkt neben dem eigenen Ohr klingen. Und auch die Sprache selbst ist interessant. Durch ein Gemisch von Deutsch und Tschechisch und vor allem durch Szenen, in denen durch Über- und Nebeneinanderreden ein wahres Kauderwelsch entsteht, wirkt die Sprache trotz aller Experimentierfreudigkeit überaus realistisch.

Nicht einfach, aber einfach gut

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Der Trailer zum Film.

Ähnlich wie Marketa wird der Zuschauer in eine komplett fremde Welt entführt. Das ist nicht immer einfach, denn der Film wird im Laufe seiner stattlichen Spielzeit von fast drei Stunden immer experimenteller und surrealer. Die Grenzen zwischen Traumbildern und Wahrheit verschwimmen zunehmend. Doch baut dadurch der Film auch eine starke, größere Erzählung auf. Die Handlung im Film spielt dann nicht mehr die Hauptrolle. Vielmehr wird der Film zur Parabel, die dem Zuschauer einiges an Deutungsspielraum gibt. Klar ist, der Film thematisiert große Konfliktbereiche: Das Nebeneinander von Heidentum und Christentum, von Ordnung und Chaos, von Mensch und Natur und von Liebe und Gewalt. Durch diesen philosophischen Überbau hebt sich Marketa Lazarová ganz klar vom Einheitsbrei ab und ist zurecht ein Geheimtipp des tschechischen Kinos.

Marketa Lazarová gibt es als Blu-ray, neu restauriert bei Bildstörung oder im Stream auf der Plattform mubi.