It’s Britney, Bitch!

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#Free Britney war spätestens 2021 überall in den Sozialen Medien und Schlagzeilen zu lesen. Mit dem Skandal der Vormundschaft und der Erfolgs- und Lebensgeschichte von Britney Spears setzt sich Regisseurin Lena Brasch in dem Theaterstück It’s Britney, Bitch! auseinander.

In der Mitte des Raums steht eine kleine silbern spiegelnde Bühne, die mit schwarz-glitzernden Vorhängen an allen Seiten zugezogen ist. Der Vorhang öffnet sich und da steht: Britney Spears verkörpert von der Schauspielerin Sina Martens. Die Körperhaltung und blonde Perücke legitimeren das Double.

Britney survived 2007, you can survive today

Sina Martens hält uns direkt zu Beginn eine Tasse mit der Beschriftung “Britney survived 2007, you can survive today”. Eine Verbildlichung der Ausschlachtung und Vermarktung von Spears psychischem Zusammenbruch – Total absurd und unmenschlich, aber leider komplett alltäglich. Das Stück greift Themen wie Feminismus, Journalismus, Romantisierung von weiblicher Drogensucht und Väterkonflikte kritisch auf. Dabei schafft es aktuelle Bezüge zum Beispiel zu Trump, aber auch zu Deutschland, denn Britneys Geschichte hat Missstände in der Gesellschaft aufgezeigt. Nicht nur im weitentfernten Amerika, sondern auch hier in Deutschland.

Are you a virgin?

Um die Themen von der Theaterbühne in die harte Realität zu holen, werden Originaltöne von Interviews gespielt, in denen die teils minderjährige Britney Fragen über ihre Brüste und ihre Jungfräulichkeit ausgesetzt ist. Letztere beantwortet Justin Timberlake irgendwann lachend. Er wird dadurch zum Helden. Sie zur skandalösen Schlampe. Als Zuschauende:r fragt man sich, wie es jemals legitim sein konnte einer jungen Frau solche Fragen zu stellen, dann fällt einem auf, dass sich die Fragen bis heute kaum verändert haben.

Free Britneys Uterus

Mit der Vormundschaft ihres Vaters werden aus den journalistischen Eingriffen sogar körperliche Eingriffe in ihre Privatsphäre. Während dieser wird ihr gegen ihren Willen eine Spirale eingesetzt, damit sie keine Kinder bekommen kann. Was von außen wie eine Körperverletzung aussieht, bewegt sich tatsächlich im legalen Rahmen des Gesetzes. Das ist nur eine der Geschichten, die den Machtmissbrauch des Vaters verdeutlichen und zeigen wie absurd das Ganze ist. Britney Spears darf arbeiten und Millionen verdienen, aber nicht bestimmen, ob sie Kinder haben kann.

Eine Pop-Ikone gefangen im Scheinwerferlicht

Es ist extrem viel, was auf die Zuschauer:innen einprasselt. Sie erleben in kleinem Ausmaß mit, wie Britney sich womöglich gefühlt haben muss. In einer Szene rennt Sina Martens verfolgt von Scheinwerfern und grenzüberschreitenden Interviewfragen durch den Raum und versucht sich in der Dunkelheit zu verstecken. Auf einmal dreht sie den Scheinwerfer auf den Publikumsraum. Das Licht ist so hell, dass man kaum mehr was sieht. Für einen Moment ist jeder Zuschauer, jede Zuschauerin selbst im Spotlight ohne Fluchtmöglichkeit, ohne sich verstecken zu können.

WUT

Am Anfang wirkt die Schauspielleistung von Sina Martens nicht ganz überzeugend und etwas fake. Mit der Zeit wird sie aber immer tiefgründiger und emotionaler. Ob das bewusst so gemacht ist, um Britneys Eingeschränktheit und ihr aufgezwungenes “Fake Smile” während der Vormundschaft zu symbolisieren oder ob die Schauspielerin etwas Zeit braucht, um sich einzuspielen, bleibt jedem selbst überlassen. Auch die oft eingebauten Witze, ziehen leider nur zum Teil. Ab spätestens der Mitte überzeugt Sina Martens aber mit einer Stärke, Verletzlichkeit und unglaublichen Wut. Diese Emotionen werden verstärkt durch selbst performte Versionen von Toxic, Hit me baby one more time, Everytime und weitere Britney-Klassiker. Am Ende zeigt die Performance eine menschliche Britney, die so wie wir alle, einfach nur geliebt werden will.

Eine Hommage an Britney Spears

Das Theaterstück ist eine Hommage an Britney Spears, nicht die Sängerin, sondern die ganze Person. Deswegen gilt der Applaus am Ende nicht nur der Schauspielerin und der Regisseurin, sondern auch Britney selbst, verbildlicht durch einen Pappaufsteller von ihr.

It’s Britney, Bitch! war im Rahmen des Radikal jung Festival 2022 zu sehen.