Queere Demo

IDAHOBIT in München und ein Plan für Bayern

/ / Bild: M945 / Benjamin Probst

Zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie fand am Dienstagabend eine große Demo im Glockenbachviertel statt. Außerdem gibt es eine neue Petition für einen Bayerischen Aktionsplan LGBTIQ*.

Nach zwei Jahren Corona-Pause war es am Dienstagabend wieder so weit. Das queere München traf sich zur IDAHOBIT-Demo im Glockenbachviertel. Der Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (kurz: IDAHOBIT) erinnert daran, dass 1990 die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten gestrichen hat. Seitdem wird er jedes Jahr gefeiert und dazu genutzt, um auf queere Themen aufmerksam zu machen.

Nach dem IDAHOBIT findet die nächste Großdemo in München zum CSD am 16. Juli statt. Nach zwei Jahren Corona könnte die Parade dieses Jahr wieder genauso groß werden wie auf diesem Bild von 2019. Bild: M94.5 / Milan Busch

Viele der Erfolge, die an diesem Tag gefeiert werden, liegen noch nicht weit in der Vergangenheit. 1994 wurde in Deutschland der Paragraph 175 StGB abgeschafft, der Homosexualität unter Strafe stellte. Und erst dieses Jahr, zum ersten Januar 2022, trat der neue Diagnoseschlüssel ICD-11 der WHO in Kraft, der Transsexualität nicht mehr als psychische Krankheit einstuft. Es gebe allerdings nach wie vor noch viel zu tun, wenn es um Gleichstellung und Anti-Diskriminierung geht, betonten viele der Redner:innen auf der Münchner Demonstration.

Ein Aktionsplan für Bayern

Pünktlich zum IDAHOBIT fordert jetzt eine neue Petition einen Aktionsplan LGBTQI* für Bayern. Initiiert wurde sie vom Sub, dem schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum München. Zu den mehr als 50 Erstunterzeichnenden gehören zum Beispiel ver.di, der CSD München und der bayrische Flüchtlingsrat.

„Es wird ja niemandem etwas weggenommen, wenn die Leute selbstbestimmt ihre sexuelle Identität oder ihre Geschlechtsdentität leben können. Das ist wichtig für Vielfalt und Demokratie. Wenn man die Minderheiten nicht mitdenkt, ist das nicht sehr demokratisch.“

Dr. Kai Kundrath – Geschäftsführer des sub e.V.

Der Aktionsplan soll im Dialog mit Interessenvertretungen queerer Menschen Strukturen schaffen, die Akzeptanz und Gleichstellung fördern. Dabei sollen queere Themen durch eine:n Landesbeauftragte:n in allen Politikbereichen mitgedacht werden. So geht es zum Beispiel darum, die Polizei zu sensibilisieren, Lehrpläne in Schulen anzupassen und das Beratungsangebot auszubauen.

Kai Kundrath, Geschäftsführer des sub München, hofft, dass die Petition Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt: „Wenn wir den Aktionsplan politisch setzen, dann findet ein gesellschaftlicher Austausch statt und das ist das A und O. […] Vorurteile entstehen da, wo der Kontakt fehlt.” Kundrath findet, dass es eben nicht nur ein queeres Thema sei, sondern alle Menschen etwas angehe. Er hofft deswegen, dass die Petition mindestens 20.000 Unterschriften erreicht.

Hier könnt ihr die Petition unterschreiben

Bayern ist das einzige Bundesland in Deutschland, das noch keinen solchen Aktionsplan hat. Auf Level der Kommunen gibt es aber einiges an Engagement in diese Richtung. So beschloss die Stadt Nürnberg im Februar dieses Jahres den “Aktionsplan queeres Nürnberg” und auch in München liegt seit einer Woche ein entsprechender Antrag der Stadtratsfraktion DIE LINKE / Die PARTEI vor.

Bunte Demo in München

Bei der Demonstration am Dienstagabend im Glockenbachviertel kamen laut Veranstalter um die 400 Menschen zusammen. Neben dem Umzug gab es auch Reden von Vertreter:innen zahlreicher Initiativen.

Auch die Initiative “Beyond Color” war bei der Demo dabei. Sie setzt sich für LGBTQIA+ Personen mit einer Geschichte von Migration, Rassismus und allen Formen von Diskriminierung ein. Bild: @barkertori/instagram

„Besonders wichtig ist es mir heute auf schwarze queere Personen und queer people of color aufmerksam zu machen, die aufgrund einer mehrfachen Diskriminierung in eine Identitätskrise geraten können”, meint Nancy vom Netzwerk Beyond Color. Es könne nicht sein, dass immer noch viele Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität um ihr Leben fürchten müssten. Auch der Diskriminierung, die people of color innerhalb der queeren Community nach wie vor ertragen, müsse entschieden entgegengetreten werden.

“Die verbalen und körperlichen Gewalttaten sind erheblich gestiegen. Wir wünschen uns, dass diese ernst genommen werden und dass Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Mehr als jemals zuvor müssen wir uns für queer people of color engagieren.“

– Nancy von Beyond Color (auf Wunsch zensiert)

Selina Kuhne vom VivaTS München e.V. ging in ihrer Rede vor allem auf die psychischen Folgen von Diskriminierung ein. Es gebe einen konstanten Stress, sagt sie. Zum Beispiel durch Blicke in der U-Bahn oder abwertende Kommentare von Mitbürger:innen, Ärzt:innen oder auch in der Arbeit. In solchen Situationen sei es besonders wichtig als Außenstehende:r nicht wegzuhören.

“Ich möchte nicht, dass eine Person von uns am Ende des Tages irgendwo hinten runter fällt. Sondern einen Platz in der Gesellschaft bekommt. Die Gesellschaft fordert Rücksicht und Geduld von uns. Wir sollen nicht immer fordern. Aber was passiert, wenn wir nichts sagen? Werden wir dann gehört?“

– Selina von VIVA TS

In mehreren Reden wurde außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass die Zahl von Menschen mit psychischen Problemen unter queeren Personen nach wie vor deutlich höher ist als im Durchschnitt der Bevölkerung. Das läge sowohl an expliziten Anfeindungen als auch an Alltagsdiskriminierung, die nur die wenigsten nicht betroffenen Menschen mitbekämen.

Holga von TINQ Net ging in seiner Rede auf ebendiese Alltagsdiskiminierung ein. Sie forderte deswegen mehr geschützte Begegnungsorte für trans*, inter*, nichtbinäre und genderqueere Menschen. Diese würden leider immer noch auch innerhalb der queeren Community Diskriminierung erfahren. Um eine bessere Gesellschaft zu schaffen, brauche es die Unterstützung von möglichst vielen Menschen betonte Holga.

„Die Unsichtbarkeit ist das Problem. Durch fehlende Sichtbarkeit ist wenig über die Lebensweisen und Lebenswelten von inter*, trans*, nichtbinären und genderqueeren Personen bekannt. Und wo Wissen fehlt, werden Annahmen getroffen. Annahmen, die an den Bedürfnissen vorbei gehen, verletzend sind, Klischees bedienen, stigmatisieren – zu Hass führen.”

– Holga von TINQ Net

Auch weitere Organisationen wie das lesbisch-queere Zentrum LeZ, der Bi-Stammtisch, die Jugendorganisation Diversity, die Senior:innen-Beratung Rosa Alter und die Initiative Munich Kyiv Queer waren bei der Demo vertreten.

Organisiert wurde die Kundgebung von der S’AG Safety-Aktionsgruppe, einer gemeinsamen Präventionsgruppe von Sub e. V. und der Münchner Aids-Hilfe.