Ein kritischer Erfahrungsbericht

FFP-2 Masken-Pflicht: Schutz Ja – Verfügbarkeit…?

/ / Bild: M94.5 / Vroni Kallinger

Januar 2021, Bayern, mitten im zweiten Lockdown. Die Corona Pandemie bestimmt unser Leben wie nie zuvor. Jetzt hat das bayerische Kabinett eine neue Verordnung angekündigt: Das Tragen einer FFP2-Maske ist in wichtigen Teilen des öffentlichen Lebens ab 18. Januar Pflicht. Aber lässt sich die Maßnahme auch umsetzen? Ein kritischer Erfahrungsbericht.

Die bisherigen Maßnahmen um die Verbreitung des Virus einzuschränken, schätze ich persönlich als wichtig und sogar notwendig ein, um einen Beitrag im „Kampf“ gegen Corona zu leisten. Es geht immerhin darum, Menschenleben zu schützen. Mir gelingt das gefühlt auch leichter als bei der ersten Welle im Frühjahr 2020. Dann wird halt wieder mehr gezoomt und geskribblt. Aber als am Dienstag dieser Woche (12.01.2021) Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die neueste Strategie des Kabinetts zur Eindämmung der Pandemie verkündete, musste ich stutzen. Vom 18. Januar an ist in ganz Bayern das Tragen eines FFP2-Mund-und Nasenschutzes sowohl in den öffentlichen Verkehrsmitteln als auch in Geschäften verpflichtend. Natürlich, diese Masken filtern gut 90 Prozent der Aerosole und bieten damit einen höheren Schutz vor einer Ansteckung als der schnell umgebundene Schal. Das wurde in den letzten Monaten von vielen Mediziner:innen bestätigt und betont. 

Was ist mit denen, die sich die Masken nicht leisten können?

Was mir aber nicht einleuchtet: Wenn schon ich als in vielerlei Hinsicht privilegierte Person Schwierigkeiten habe, an diese Masken zu kommen, wie wird es dann beispielsweise Menschen mit geringem Einkommen gehen? 

Mir fehlen bei der Entscheidung bislang die Anhaltspunkte, ein nachvollziehbarer Plan, ein funktionierendes System. Die FFP2-Masken sind nämlich nicht nur deutlich teurer als andere Modelle. Ich selbst habe mich auf die Suche gemacht und bin daran gescheitert, überhaupt welche zu bekommen. Und mit mir in Bayern leben nun mal um die 13 Millionen Menschen, über 1 Million nutzen täglich den öffentlichen Nahverkehr. Und deutlich mehr Menschen müssen sich ihre Einkäufe, die sie zum Leben brauchen, selber besorgen.

Es bräuchten also all diese Menschen schleunigst FFP2-Masken, von denen das günstigste Einzel-Modell bei Drogeriemärkten zwei Euro kostet. Woher ich das weiß? Von meinem kürzlichen Versuch, dort Masken zu kaufen, bei dem ich vor leeren Regalen stand. Auf Nachfrage erhielt ich von einer Mitarbeiterin die Information, dass aktuell „leider alle Masken vergriffen sind“, es werde aufgrund der hohen Nachfrage auch so bald nicht mit Nachlieferungen gerechnet. Online sind die Masken, die es im Laden schon nicht mehr gab, als momentan „nicht verfügbar“ gekennzeichnet. Auch bei den Apotheken in meiner Nähe das gleiche Spiel. Also ist es scheinbar doch gar nicht so einfach, an diese Masken zu kommen, die ich laut Regelung aber bräuchte. Jedenfalls um mein schon eingeschränktes Leben so weiterführen zu können. Auf Amazon finde ich dann schließlich welche, dort am günstigsten für einen Euro das Stück. Weil ich also nur an Masken komme, nachdem ich mich eineinhalb Tage damit beschäftigt habe und letztlich nur mit einem Internetzugang an die FFP2-Masken komme, wird aus meinem Stutzen schließlich Skepsis.

Die Ankündigung der Maßnahme kam zu plötzlich 

Hinzu kommt: Die Maßnahme wurde ganze sechs Tage vor Beginn der geltenden Regelung bekannt gegeben. Alle Bürgerinnen und Bürger, die bislang keine FFP2-Masken besitzen, hätten also ein nur ein paar Tage Zeit, diese zu besorgen. Sonst dürften sie ganz einfach gesagt nicht mehr mit der Bahn zur Arbeit fahren oder nach Feierabend noch Lebensmittel einkaufen. Nachdem dazu Kritik laut wurde, ist die Reaktion der Landesregierung: Eine Kulanz von einer Woche, Verstöße sollen erst danach polizeilich geahndet werden. 

Aber wie sieht es mit der Kulanz bei der Finanzierung solcher Masken aus?

Das Anti-Klassismus-Referat der Studierendenvertretung an der LMU München äußerte sich bereits zu den neuen Beschlüssen: 

„Den heute beschlossenen Maßnahmen gelingt es keineswegs, die Lebensrealität diverser Personengruppen hinreichend zu berücksichtigen. Die vorgeschriebenen FFP2-Masken sind sehr teuer und in aller Regel nicht wiederverwendbar. Entsprechend ist das Einhalten dieser Regeln an hohe Ausgaben geknüpft und stellt dadurch ein finanzielles Problem für viele Menschen dar.“

(Pressemitteilung des Anti-Klassismus-Referat vom 12. Januar 2021)

Hinzu kommt, dass die Masken regelmäßig mit einer neuen ausgetauscht werden müssten, damit die Wirkung gewährleistet wird. Es dürfte aus Sicht des Infektionsschutzes also nicht bei einer Handvoll Masken bleiben, regelmäßiger Nachschub wäre nötig, um sich und seine Mitmenschen effizient schützen zu können.

Aus Stutzen und daraus entstehender Skepsis wird schließlich Unverständnis. Bestimmte Personengruppen werden durch diese Verordnung nicht berücksichtigt. Denn naheliegend ist doch, dass sich Menschen, die eben nicht die finanziellen oder auch logistischen Möglichkeiten haben, entweder nicht genug oder überhaupt keine Masken haben werden. Auch hier musste die bayerische Regierung Kritik einstecken und kündigte an, allen „hilfsbedürftigen Menschen“ entsprechende Masken gratis bereitzustellen. Es solle zunächst fünf Masken pro Person geben und Menschen mit ungesichertem Einkommen seien in den Datenbanken der Kommunen hinterlegt. Aber wo bleibt da der konkrete Plan? Wer zählt denn jetzt genau dazu, wer nicht? Und was passiert, wenn diese fünf Masken benutzt wurden? Meine befreundete Kommilitonin, die durch Corona ihren Job im Café verloren hat, weiß aktuell zum Beispiel noch nicht, ob sie Anspruch hätte. 

Und mein Unverständnis mache ich nicht nur an den Kosten für die Masken fest. Zudem heißt es nämlich auch, die Regelung gelte nur für Jugendliche, die mindestens fünfzehn Jahre alt sind. Wurden nicht für lange Zeit nur Kinder als nicht ansteckungsgefährdend eingestuft? Dann stoße ich auf die Aussage von Johannes Knobloch vom Uni-Klinkum Hamburg-Eppendorf: „Im schlimmsten Fall kann sich die Lage sogar verschlechtern, weil sich die Leute geschützter fühlen und weniger vorsichtig sind.“ Er betonte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung außerdem, dass bei Personen mit längerem Bart die FFP2-Maske keinen besseren Schutz biete als die einfachen Einwegmasken. Was macht also mein Kumpel mit Vollbart? 

Das sind alles Fragen, auf die es noch Antworten bedarf. Es fehlt eine ausführliche Erklärung, die die Menschen in Bayern nicht noch mehr verunsichert in diesen Zeiten. Bei allen neuen Regelungen, wie jetzt die neue Masken-Verordnung, braucht es das mehr denn je. Damit wir nicht nur wissen, dass uns FFP2-Masken gut schützen können, sondern auch, woher wir sie bekommen und dass die individuelle Situation jedes Menschen dabei berücksichtigt wird.