Literaturveranstaltung

“Erinnerung als Widerstand”

/ / Moderator Felix Stephan und Cécil Wajsbrot und Anne Weber / Bild: Screenshot

Anne Weber und Cécil Wajsbrot haben zwei der aufregendsten Bücher des letzten Jahres geschrieben. Beide Bücher drehen sich darum sich gegen antiliberale Gefahren zur Wehr zu setzen. Bei der Veranstaltung „Erinnerung als Widerstand“ vom Literaturhaus München und dem NS-Dokumentationszentrum wird aber ebenfalls deutlich: Einfach über einen Kamm scheren lassen sich die beiden nicht.

Cécil Wajsbrot und Anne Weber sind beide aus Paris zugeschaltet. In Zeiten der digitalen Veranstaltung ist es daher auch kein Problem, dass der Journalist Felix Stephan von München aus Fragen stellt und die Moderation des Abends übernimmt. Beide Autorinnen kennen sich ohnehin gut. Sogar so gut, dass sie jeweils die Andere ihre Manuskripte lesen lassen. Beide sind sowohl im deutsch- als auch französischsprachigen Raum zu Hause und sprechen beide Sprachen fließend. Auch Wajsbrots neuestes Buch Zerstörung hat Weber aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt.

In der Zukunft und in der Vergangenheit schreiben

Zerstörung spielt in der Zukunft und handelt vom Aufkommen einer neuen Diktatur, in der Buchläden geschlossen und Kunst- und Sprachunterricht abgeschafft werden. Wajsbrot zeichnet die spiralförmige Bewegung einer Gesellschaft nach, die weiter und weiter in eine Dystopie abdriftet. Es ist ein unheimlicher Zukunftsroman, dessen Wirkung daher aber um so einnehmender ist.

In Anne Webers Buch Annette, ein Heldinnenepos scheint es um ein ähnliches Thema zu gehen. Doch es spielt nicht in einer dystopischen Zukunft, sondern in der Vergangenheit. Im freien Versmaß erzählt Weber die Geschichte von Anne Beaumanoir, die in Frankreich gegen die nazistischen Besatzer und später im Algerienkrieg gekämpft hat. Beide Bücher haben also durchaus politische Themen. Zerstörung legt dieses Thema in die Zukunft. Annette wirft einen Rückblick in die Vergangenheit.

Moderator Felix Stephan und Cécil Wajsbrot und Anne Weber / Bild: Screenshot

Moderator Felix Stephan hat über den Abend manchmal Probleme, weil seine These, dass die beiden Bücher und Autorinnen vor allem über eine politische Ebene miteinander verbunden sind, weder bei Wajsbrot noch bei Weber großen Anklang finden. Das Gespräch ist daher manchmal etwas schleppend, aber dennoch aufschlussreich. Weber merkt an, dass es ihr nicht in erster Linie darum ging ein Buch des Widerstands oder ein politisches zu schreiben, sondern die wirkliche Begegnung zweier Menschen zu verarbeiten – also Webers Begegnung mit der realen Person Anne Beaumanoir.

Engagierte Literatur und Rechtsruck

Natürlich stimmt es dennoch, dass beide Autorinnen offensichtlich ein sehr feines Gespür für die derzeitigen politischen Verhältnisse haben. Das wird sowohl in ihren beiden Büchern als auch in ihrem Gespräch auf der Veranstaltung des Literaturhauses deutlich. Ein Ereignis aus der nahen Vergangenheit, welches im Laufe des Abends mehrere Male sowohl von Anne Weber als auch von Cécil Wajsbrot genannt wurde, war die letzte französische Präsidentschaftswahl. Bei dieser kam die rechtspopulistische und antiliberale Politikerin Marine Le Pen neben Emmanuel Macron in die Stichwahl. Und sie konnte ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich versammeln.

Moderator Felix Stephan und Cécil Wajsbrot / Bild: Screenshot

Sowohl Cécil Wajsbrot als auch Anne Weber sehen die derzeitigen Gefahren für die Demokratie und die Konsequenzen des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Jedoch würde man beide zu stark verkürzen, wenn man sie nur als politische Autorinnen oder Kommentatorinnen des Zeitgeistes versteht. An einer Stelle des Gesprächs fragt der Moderator Stephan die Autorin Wajsbrot nach Engagierter Literatur. Wajsbrot antwortet: Engagierte Literatur ist wenn Inhalt und Form sich finden. Und genau das passiert in Annette, ein Heldinnenepos. Wajsbrots Definition von Engagierter Literatur gilt nicht nur für Webers Buch, sondern auch für ihr eigenes. Und vielleicht ist es genau das was diese Bücher so aktuell und dringlich, aber dennoch so zeitlos und schön macht.

Anne Webers Buch Annette, ein Heldinnen Epos ist beim Matthes & Seitz Verlag erschienen und kostet als Hardcover 22€. Cécil Wajsbrots Buch Zerstörung (aus dem Französischen übersetzt von Anne Weber) ist beim Wallstein Verlag erschienen und kostet als Hardcover 20€.