Zivilcourage

Eine Sache der Überwindung?

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Eigentlich sind es nur drei simple Worte zum richtigen Zeitpunkt: „Brauchst Du Hilfe?“ Doch die gehen den meisten Menschen nicht leicht über die Lippen.

Wie ist das zu erklären?

Jeden Tag brauchen Menschen in öffentlichen Räumen Hilfe. Die Situationen sind vielfältig und reichen von sexueller Belästigung über rassistische Anfeindungen bis hin zu medizinischen Notfällen. Doch bietet sich oft kein Helfer an. Es scheint so, als seien die Zeugen des Geschehens nicht interessiert oder ratlos, was zu tun ist. Kann man das wirklich so verallgemeinern? Meistens wollen die Menschen helfen, allerdings hält sie etwas davon ab. Sei es banale Zeitnot, Angst vor einem Konflikt oder, wie Sohrab Taheri vom Bayerischen Roten Kreuz meint, Zurückhaltung. Da eine Notfallsituation eine Ausnahme sei, sei dies natürlich verständlich. Allerdings sieht er unter solchen Umständen die Angst als das größere Problem an.

Das Wichtigste: Anrufen – keine Fotos

Letztere zeugt aber eben nicht unbedingt von fehlendem Wissen über Erste Hilfe. Denn die Theorie ist den meisten Menschen wohl bewusst: Schnellstmöglich den Krankenwagen verständigen und den Anweisungen des Rettungspersonals folgen. Diese Schritt-für-Schritt-Anleitungen sind so formuliert, dass man auch ohne große medizinische Kenntnisse zuverlässig Hilfe leisten kann. Dennoch trauen sich nach einer Umfrage des Marktforschungsinstitut „Growth for Knowledge“ nur 44,6% der Deutschen zu, wiederbelebende Maßnahmen durchzuführen. Hinzu kommt außerdem, wie Sohrab Taheri betont, dass viele Menschen zum Handy greifen – um zu filmen oder Fotos zu machen – anstatt Hilfe zu rufen.

Keine Antwort ist auch eine Antwort

Nicht nur bei medizinischen Themen, existiert diese Hemmschwelle. Auch auf rassistische Beleidigungen reagieren Außenstehende nicht unbedingt. Hier ist Zivilcourage gefragt. Wir leben zwar in einer Gesellschaft, in der Freiheit auf Meinungsäußerung ein Grundrecht ist, besitzen jedoch nicht die Freiheit andere Menschen mit Beleidigungen anzugreifen. Sich nicht für andere einzusetzen und zu schweigen, bestätigt die Handlung des Angreifers. Bei sexueller Belästigung verhält es sich ähnlich. Wenn zum Beispiel eine Frau von einem Mann dumm angemacht wird, sollten wir nicht unsere Augen davor verschließen, sondern ihr helfen.

Eine erfolgreiche Gesellschaft definiert sich also nicht nur durch eine unbegrenzte, stillschweigende Toleranz, sondern auch dadurch, in der Not füreinander einzustehen.